Großbritannien:Abgang eines klugen Kopfs

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Tristram Hunt wird Museumschef. (Foto: Saul Loeb/AFP)

Der Labour-Abgeordnete Tristram Hunt kehrt der Politik künftig den Rücken zu - er leitet nun das Victoria and Albert Museum. Für die Partei ein schmerzlicher Verlust.

Von Christian Zaschke, London

Es ist eine ebenso große Überraschung in der Welt der Politik wie in der Kunstwelt: Der britische Labour-Abgeordnete Tristram Hunt hat am Freitag sein Mandat im Unterhaus niedergelegt, um neuer Direktor des weltberühmten Londoner Victoria and Albert Museums (V&A) zu werden. Er tritt die Nachfolge des Deutschen Martin Roth an, der der erste ausländische Direktor seit Gründung des Museums im Jahr 1852 war. Roth hatte im vergangenen Herbst seinen Rücktritt erklärt und diesen unter anderem damit begründet, dass die Briten für den Austritt aus der EU gestimmt haben.

Für die Labour-Partei ist das ein schwerer Schlag. Hunt war einer der fähigsten und intelligentesten Politiker in Westminster. Er hat in Cambridge Geschichte studiert, mit der Promotion abgeschlossen und sich als Autor und TV-Historiker einen Namen gemacht. Seit 2010 sitzt er im Parlament und stieg rasch auf in der Partei. Der damalige Parteichef Ed Miliband machte ihn zum Schatten-Bildungsminister. Nachdem Labour die Wahl 2015 verloren hatte, bewarb sich Hunt um den Parteivorsitz. Dieser ging jedoch mit überwältigender Mehrheit an Jeremy Corbyn. Hunt gehört zum konservativeren Labour-Flügel, während Corbyn weit links steht. Es war klar, dass die beiden Männer nicht sonderlich gut miteinander auskommen würden. Hunt weigerte sich, Corbyns Schattenkabinett anzugehören.

Dass er die Politik nun ganz verlässt, kommt dennoch unerwartet. In all den Spekulationen darüber, wer die Nachfolge Martin Roths als Direktor des V&A antreten könnte, ist sein Name nicht ein einziges Mal erwähnt worden. Favorit war Roths Stellvertreter Tim Reeve, der das Museum derzeit kommissarisch führt. In der Welt der Kunst wurde Hunts Ernennung begrüßt. Ehemalige Kollegen aus der Politik wünschten ihm Glück. Der vormalige Finanzminister George Osborne merkte an, es werde wohl eine Weile dauern, bis es wieder einen Labour-Abgeordneten mit dem Vornamen Tristram gebe.

Für Labour ergibt sich nicht nur das Problem, einen äußerst begabten Politiker ersetzen zu müssen, sondern zudem die Herausforderung, eine Nachwahl in Hunts Wahlkreis zu gewinnen. Er war Abgeordneter für Stoke-on-Trent Central in den West Midlands. Diesen Sitz hält Labour seit 1950, doch zuletzt hat die EU-feindliche UK Independence Party (Ukip) dort stark zugelegt. Im Referendum über die Mitgliedschaft in der EU haben sich 66 Prozent der Einwohner von Stoke-on-Trent für den Austritt entschieden, weshalb der Ort als Brexit-Hauptstadt gilt. Daher dürfte Labour bei der anstehenden Nachwahl einen schweren Stand haben. Der ehemalige Ukip-Boss Nigel Farage verkündete am Freitag: "Tristram Hunts Rücktritt werden viele weitere folgen. Labour ist dem Untergang geweiht." Erst vor wenigen Wochen hatte die Partei einen Abgeordneten verloren. Jamie Reed hat sein Mandat in Cumbria im Nordwesten Englands niedergelegt und wird künftig für die Betreiber der Atomanlage in Sellafield arbeiten. Auch Reed hat den Kurs von Parteichef Corbyn offen kritisiert.

Für Hunt hat der neue Job nicht nur den Vorteil, dass er sich nicht mehr mit Jeremy Corbyn streiten muss, er verdient auch deutlich mehr Geld. Roth erhielt ein Salär von mehr als 145 000 Pfund (167 000 Euro) pro Jahr als Teil eines Gesamtpakets, das rund 225 000 Pfund wert war. Als Abgeordneter verdiente Hunt 74 962 Pfund im Jahr.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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