Griechenland:Halbes Jahr vorbei, nichts passiert

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Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras muss für die mit der EU vereinbarten Abmachungen immer wieder um Mehrheiten in Athen kämpfen. (Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Die Regierung in Athen verschleppt offenbar die mit den Gläubigern vereinbarte Privatisierung von Vermögenswerten.

Von Cerstin Gammelin und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Griechenland verschleppt offenbar die mit den Gläubigern vereinbarte unabhängige Verwaltung und Privatisierung von Vermögenswerten. Man habe "nicht den Eindruck, dass Athen ein großes Interesse daran hat, staatliche Vermögenswerte in unabhängige Hände zu geben", sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Athen und die Kreditgeber der Euro-Länder hatten im Juli vereinbart, einen unabhängig verwalteten Privatisierungsfonds zu gründen und mit griechischen Vermögenswerten zu füllen, die sich über die Laufzeit der Kredite zu 50 Milliarden Euro summieren sollten. Mit dem Geld sollen fällige Kredite abgelöst werden.

Ein knappes halbes Jahr später gibt es keinerlei Fortschritte, das Vorhaben umzusetzen. Einige Euro-Länder sind inzwischen verärgert, dass die Regierung in Athen bisher noch nicht einmal ein schlüssiges Konzept übermittelt hat, in dem sie darlegt, wie sie den Fonds anlegen und verwalten will. Nach übereinstimmenden Berichten aus mehreren Euro-Staaten versucht die EU-Kommission seit mehreren Wochen, mit Athen ein akzeptables Konzept für den Fonds zu erarbeiten. Bisher ist das nicht gelungen. "Der Plan muss noch vor Weihnachten entworfen werden", sagte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Treffen der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte bei den harten Verhandlungen um das dritte griechische Hilfspaket im Juli dieses Jahres darauf gepocht, das Konzept "so schnell wie möglich" zu übermitteln. Bereits im Oktober sollte dann eine spezielle Arbeitsgruppe (Task-Force) erste Empfehlungen über die Gründung des Fonds geben, die bis März 2016 umgesetzt werden sollten. Dieser Zeitplan sei "nicht mehr zu halten", erklärte ein EU-Diplomat in Brüssel.

Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn, sagte der SZ: "Die Einrichtung eines Privatisierungsfonds war für uns eine der entscheidenden Bedingungen, um nach langen Verhandlungen dem neuen ESM-Programm für Griechenland zustimmen zu können. Wir erwarten, dass er jetzt endlich zügig konkretisiert und umgesetzt wird."

Der schwierigste Punkt steht Athen erst noch bevor - eine Rentenreform

In der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission mehren sich allerdings Stimmen, die fordern, die ursprünglich vereinbarten 50 Milliarden Euro Privatisierungserlöse zu verringern. Sie argumentieren, dass die Hälfte der Summe für die Rückzahlung von Krediten des Rettungsfonds ESM für Banken verwendet werden sollte; da die Geldhäuser aber nur sechs Milliarden Euro aus dem dritten, laufenden Rettungspaket benötigten, müsse auch die Rückzahlung reduziert werden. Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem erklärte, diese Frage werde Teil der Diskussion sein, wenn der Plan für den Privatisierungsfonds stehe. Klar sei, dass sich die Zahlen geändert haben. Demgegenüber sagte ein EU-Diplomat, man werde an dem Ziel der 50-Milliarden-Euro-Erlöse festhalten. Dies sei "realistisch". Zudem hätten griechische Banken in früheren Rettungsaktionen weit mehr Hilfskredite bekommen. Aus Athen heißt es, dass neben dem Geld für Banken etwa 16 Milliarden Euro aus Privatisierungen erlöst werden könnten - das wären neun Milliarden Euro zu wenig.

Der Fonds soll Teil der zweiten sogenannten Milestones werden, einer Reformagenda, welche Athen zu erfüllen hat. Weil der Fonds aber bislang nicht aufgelegt wird, verzögert sich auch der Abschluss der ersten Kontrollmission durch die Gläubiger. Diese war ursprünglich für Oktober geplant. Inzwischen planen Unterhändler "realistischerweise mit dem Frühjahr" - und damit mit mehr als sechs Monaten Verspätung. Streit gibt es zudem über die Frage, wer den Fonds verwaltet. Geht es nach der Regierung in Athen, soll das Gremium mindestens zur Hälfte aus griechischen Abgesandten bestehen. Das wollen die Gläubiger aber nicht.

Der Zeitplan für die Umsetzung der Reformen sieht zunächst die Auszahlung einer weiteren Milliarde in den nächsten zwei Wochen vor. Dafür muss Athen noch Löhne für Beamte absenken und Privatisierungen vorantreiben. Der für Griechenland schwierigste Punkt soll im Januar beschlossen werden: eine umfassende Rentenreform. Diese ist nötig, um die haushaltspolitischen Ziele der Regierung zu erreichen. Vor allem aber wird die Reform auch gebraucht, um den Internationalen Währungsfonds (IWF) davon zu überzeugen, dass er sich weiter an der Griechenland-Rettung beteiligt. Im Frühjahr läuft das IWF-Programm aus. Deutschland, die Niederlande und andere Staaten dringen auf ein weiteres Engagement des Fonds. Ob der IWF aber weitermacht, hängt davon ab, wie stark die Euro-Länder selbst zu Maßnahmen bereit sind, um die hohe griechische Schuldenlast zu senken.

Dem Vernehmen nach werden die Euro-Staaten die Fälligkeit der ersten Kredite, die Athen zurückzahlen muss, noch weiter in die Zukunft verschieben. Laufzeiten werden also verlängert, Zinszahlungen müssen später beglichen werden. Mit diesen Mitteln kämen die Euro-Partner um einen wahren Schuldenschnitt herum; denn diesen wollen sie auf jeden Fall vermeiden. Der IWF hat bereits signalisiert, dass er sich bei einem solchen Vorgehen nicht verschließen werde.

Für Athen würde eine Beteiligung des IWF aber nichts Erfreuliches bedeuten. Abgesehen davon, dass die Zinssätze höher liegen als bei den Euro-Partnern, wird der Fonds aus Washington vor allem eines verlangen: harte Reformen. Schon bei den letzten Rettungspaketen war es besonders der IWF, der zu Einschnitten drängte. Kein Wunder, dass die Regierung in Athen den Fonds am liebsten los wäre. Auch die EU-Kommission hätte nichts dagegen.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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