Griechenland:Ein Volk als Wahlkampfopfer

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Weil in Deutschland Bundestagswahlkampf ist, will die Regierung in Berlin bei der Hilfe für Athen unbedingt den Internationalen Währungsfonds dabeihaben. Für die Griechen bedeutet das: Sie werden auch künftig mehr sparen müssen, als nötig und vernünftig ist.

Von Alexander Mühlauer

Seit sieben Jahren ist Griechenland ein fremdbestimmter Staat. Ein Transferleistungsempfänger, der auf Druck anderer Reformen durchziehen muss - gegen den Willen seiner Bürger. Seit sieben Jahren wird verhandelt. Mal mehr, mal weniger qualvoll. Ein Ende ist nicht in Sicht. Auch der jüngste Kompromiss von Malta ist kein Durchbruch. Denn noch immer sind die Europäer von einem Akteur abhängig, der Griechenland Einschnitte abverlangt, die sich kein souveräner Staat gefallen lassen würde. Noch immer treibt der Internationale Währungsfonds (IWF) die Finanzminister der Euro-Zone vor sich her - ohne dass er sich bislang am laufenden Kreditprogramm finanziell beteiligt.

Die Europäer haben sich in eine absurd anmutende Situation hineinmanövriert. Weil allen voran Deutschland auf eine Beteiligung des IWF pocht, bestimmt der Fonds, wie viel Griechenland sparen muss. Das wäre an sich nicht weiter der Rede wert, denn wer den Fonds an Bord haben will, muss auch dessen Bedingungen akzeptieren. Das Problem ist nur: Die ökonomischen Vorhersagen des IWF sind nicht ein bisschen pessimistischer als jene der Europäer; sie sind dermaßen negativ, dass Griechenland weitaus mehr sparen muss als es eigentlich müsste. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass der Fonds mit seinen Annahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung dermaßen danebenlag, dass es nun, im siebten Jahr der Griechenlandrettung, eigentlich keinen Grund mehr geben dürfte, dem Drängen aus Washington weiter nachzugeben.

Und doch gibt es einen Grund. Im Sommer 2015 haben der Bundestag und andere nationalen Parlamente dem dritten Multi-Milliarden-Programm für Griechenland nur unter der Bedingung zugestimmt, dass der IWF sich daran beteiligt. Der Fonds gilt besonders in der Unionsfraktion als Hardliner, der, anders als die nachsichtige EU-Kommission, darauf achtet, dass sich Griechenland wirklich an die Sparauflagen hält. Politisch führt also kein Weg daran vorbei: Der IWF muss dabei sein - und sei es zum letzten Mal.

Künftig könnten die Euro-Staaten den Fonds durch eine europäische Kontrollinstanz ersetzen. Der Euro-Rettungsfonds ESM hat die Expertise, um die Rolle eines europäischen Währungsfonds auszufüllen. Doch so wünschenswert dies sein mag, für die laufenden Verhandlungen ist dies unrealistisch. Die Union kann es sich im Bundestagswahlkampf nicht erlauben, ein politisch so aufgeladenes Versprechen zu brechen - also muss es mit der IWF-Beteiligung irgendwie klappen.

Die Leidtragenden dieses Gezerres sind die griechischen Bürger. Sie werden wohl die vom Währungsfonds geforderten Sparmaßnahmen mit einigen Abstrichen akzeptieren müssen. Um diese wenigstens fair abzufedern, sollten die Kreditgeber einen bereits bewährten Mechanismus einbauen, der eines klar regelt: Sollten sich die griechische Wirtschaft und der Haushalt besser entwickeln als vom IWF prognostiziert (also wie es die Europäer erwarten), dann sollten die Sparmaßnahmen auch nicht in Kraft treten.

Doch das allein wird dem IWF nicht reichen. Der Fonds besteht darauf, dass Griechenland seine Schuldenlast langfristig selbst tragen kann. Also müssen die Euro-Staaten über jene Schuldenerleichterungen reden, die sie Athen bereits in Aussicht gestellt haben. Politisch ist das hochbrisant, zumal in Wahlkampfzeiten. Doch wer will, dass der IWF an Bord kommt, kann die Schuldenfrage nicht ausblenden. Sonst bleibt Griechenland das, was es schon seit sieben Jahren ist: ein fremdbestimmter Staat.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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