Griechenland:Der Beste - nicht gut genug

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Ausgerechnet der einst so linke Revoluzzer gegen Brüssel, Alexis Tsipras, vollstreckt nun als Premier die harte Sparpolitik. Korruption und Vetternwirtschaft blühen derweil weiter. Das Land steckt in seinen Krisen fest.

Von Mike Szymanski

Die moderne griechische Zeitrechnung zählt in Hilfsprogrammen. Der linke Premier Alexis Tsipras und seine Regierung haben soeben das Jahr eins nach Unterzeichnung des nunmehr dritten Hilfspakets hinter sich gebracht. Es ist schon eine kleine Sensation, dass es diese Regierung überhaupt noch gibt. Sie wäre jedenfalls nicht die erste gewesen, die von der eigenen Sparpolitik weggefegt worden ist.

Im Parlament verfügt Tsipras' abenteuerliche Koalition mit der rechtspopulistischen Partei Anel nur über eine hauchdünne Mehrheit von drei Stimmen. Trotzdem bringt der Premier damit die Reformen durch, die ihm die europäischen Geldgeber auferlegt haben - wenn auch selten in der von Brüssel gewünschten Geschwindigkeit. Dort staunt man trotzdem über die Wandlungsfähigkeit Tsipras'. Ausgerechnet der linke Anti-Sparer lässt die Renten schrumpfen und Steuern und Abgaben steigen. Allenfalls noch in seinen Reden hört man den Populisten sprechen, im Parlament gibt der 42-Jährige längst den Realpolitiker.

Trotzdem: Tsipras ist kein Politiker, der dem Land bisher wirklich gutgetan hat. Er trägt große Mitschuld daran, dass das Vertrauen in die Parteien nicht wiederhergestellt ist. Er hatte seinem Volk 2015 in fahrlässiger Weise vorgegaukelt, es gebe einen leichten Weg aus der Krise. Deshalb wählten ihn die Menschen an die Macht. Tsipras war dann so besessen von seiner Politik, dass er Griechenland bei den Verhandlungen mit dem Kreditgebern im Sommer 2015 an den Rand des Kollapses führte - und unterlag.

Für große Träumereien ist seitdem in Griechenland kein Raum mehr, für Illusionen auch nicht. Zweifel sind angebracht, dass unter dieser Regierung das System der Korruption und des Klientelismus endet. Mit einer Versteigerung von TV-Lizenzen fürs Privatfernsehen, über deren Rechtmäßigkeit noch entschieden werden muss, sind kürzlich kritische Sender aus dem Markt gedrängt worden. Einem der neuen Lizenzträger werden gute Beziehungen zur Regierungspartei nachgesagt. Außerdem fragt man sich in Athen, woher der Unternehmer die Millionen für die Lizenz nahm. Die Steuerfahnder schalten sich ein. Fälle wie dieser machen deutlich, dass sich Griechenland nur oberflächlich verändert hat. Das Fundament: morsch wie eh und je.

Auch unter Premier Tsipras steckt das Land in seinen Krisen fest

Zugegeben, die Politik des Premiers Tsipras ist in Teilen ehrlicher geworden. In Teilen hat er sich aber auch einfach nur entzaubert. Tsipras ist kein Erlöser. Er ist nicht einmal ein echter Erneuerer, sondern - wie es aussieht - nur der beste Mann, den die politische Klasse in Griechenland derzeit aufzubieten hat. Das Regierungsprogramm haben die Geldgeber mit ihren Auflagen für das Rettungspaket geschrieben. Das regierende Linksbündnis Syriza hat bei genauerer Betrachtung jeglichen Schrecken verloren. Vom radikalen Flügel, der das Land lieber aus der Euro-Zone herausgeführt hätte, hat sich Tsipras getrennt. Er hat die Partei weiter in die Mitte geführt, dorthin, wo die Mitte-links-Partei Pasok ein gewaltiges Vakuum hinterlassen hat. Von Seiten der Opposition droht ihm wenig Ungemach. Mehr als die Steuern zu senken, fällt ihr zur Lösung der Krise nicht ein.

So bleibt nicht nur die Schuldenkrise in Griechenland ungelöst, auch die Krise des politischen Systems dauert an.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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