Griechenland:Bauern und Anwälte vereint im Zorn

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Protestierende Bauern in Thessaloniki: Die geplante Rentenreform der Regierung trifft Griechenlands Landwirte besonders hart. (Foto: Giannis Papanikos/AP)

Der Protest gegen die Rentenreform bringt Ministerpräsident Alexis Tsipras in Not: Eine Mehrheit im Parlament ist ihm nicht sicher.

Von Luisa Seeling, München

Während die griechische Regierung mit Forderungen nach einem Ausschluss aus der Schengen-Zone konfrontiert ist, droht ihr nun schon die nächste Kraftprobe. Seit Tagen legt eine Streik- und Protestwelle das öffentliche Leben in Griechenland lahm. Im Fährverkehr sind die Mitarbeiter in ihren zweiten 48-Stunden-Ausstand innerhalb einer Woche getreten. Die Schiffe blieben Mittwoch und Donnerstag in den Docks vertäut. Das verschärft die Lage auf den Inseln der Ostägäis, wo täglich Flüchtlinge ankommen. Sie können nicht aufs Festland gebracht werden. Nachrichtensendungen fielen aus, weil Journalisten die Arbeit niederlegten.

Die Menschen demonstrieren gegen die Pläne der Links-rechts-Regierung von Alexis Tsipras, ein neues Rentensystem einzuführen. Anfang Februar soll das Parlament über das Gesetz abstimmen. Es sieht Kürzungen von durchschnittlich 15 Prozent für künftige Rentner vor, zugleich sollen die Beiträge erheblich angehoben werden. Außerdem soll das ausufernde Regelwerk vereinfacht und Sonderregelungen sollen abgeschafft werden. Um Verwaltungskosten einzusparen, sollen zudem Dutzende Rentenkassen zu einer großen Dach-Kasse vereinigt werden. Mit den Änderungen soll das Minus der Rentenkasse von derzeit 800 Millionen Euro ausgeglichen werden. Die Maßnahmen sind außerdem zentraler Bestandteil des dritten Hilfspakets, das Athen mit den internationalen Kreditgebern - EU-Kommission, Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und dem Euro-Rettungsfonds ESM - im August 2015 vereinbart hatte. Sie sind Bedingung dafür, dass die Euro-Finanzminister mit den Griechen über weitere Schuldenerleichterungen sprechen.

Am Dienstagabend hatte Tsipras seine Pläne verteidigt. "Die Rentenreform ist notwendig - nicht in erster Linie, weil die Gläubiger sie verlangen, sondern weil das System nicht tragfähig ist", sagte er im Parlament. "Wir haben hier ein Problem, das irgendwann explodieren wird, wenn wir nichts tun." Tsipras, dessen Syriza mit der rechtspopulistischen Anel-Partei regiert, verfügt über 153 von 300 Mandaten - eine hauchdünne Mehrheit. Ob die Regierung die Reform mit den Stimmen des eigenen Lagers durchsetzen kann, ist unsicher; sie hofft auf einzelne Stimmen aus der Opposition. Diese bezweifelt nicht, dass eine Reform notwendig ist, kritisiert aber die Ausführung als ungerecht.

Landwirte sind besonders betroffen. Sie müssten 20 Prozent ihres Einkommens abgeben

Die geplanten Änderungen treffen Griechenlands Landwirte besonders hart. Sie zahlen bisher sieben Prozent ihres Einkommens für ihre Rentenversicherung. Dieser Beitrag soll bis 2019 stufenweise auf 20 Prozent erhöht werden. Am Donnerstag blockierten wieder Tausende Bauern mit Traktoren im ganzen Land Straßen und Verkehrsknotenpunkte, am Mittwoch hatten sich 10 000 an den Sperren beteiligt. Auf ein Gesprächsangebot des Ministerpräsidenten wollen die Landwirte nicht eingehen. Ein Protestführer sagte dem Fernsehsender Skai, die Regierung müsse ihre Renten- und Steuerreform erst vollständig zurückziehen, bevor man überhaupt bereit sei, zu reden.

Nicht minder zornig sind Freischaffende wie Rechtsanwälte und Ärzte. Die griechische Presse spricht schon vom "Aufstand der Krawatten". Die meisten Freischaffenden müssten nach dem neuen Gesetz knapp 70 Prozent ihres Einkommens für Renten- und Krankenkassenbeiträge sowie als Steuern zahlen. "Ein junger Rechtsanwalt, der 20 000 Euro im Jahr verdient, muss demnach fast 14 000 Euro Steuern und Rentenbeiträge zahlen", rechnet der Präsident des Anwaltsverbands vor.

Eine Regierungssprecherin versuchte zu beruhigen: 2018 werde die Wirtschaft wieder wachsen, dann könnten die Renten wieder angehoben werden, sagte sie. Außerdem sollen die Änderungen nur Neu-Rentner betreffen. Die Gegner besänftigt das nicht. Für den 4. Februar haben die großen Gewerkschaften einen Generalstreik angekündigt.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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