Gesundheitspolitik:Krankes Amerika

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Präsident Donald Trumps so genannte Reform von Obamacare ist dumm und schändlich. Millionen Amerikaner werden so ihren Krankenversicherungsschutz verlieren. Und der Druck auf die ärmsten Amerikaner steigt weiter.

Von Claus Hulverscheidt

Um das ganze Elend der amerikanischen Gesundheitspolitik mit einem Blick zu erfassen, muss man sich eine Grafik anschauen, die die OECD vor einiger Zeit verbreitet hat. Sie zeigt, wenig überraschend, dass die Menschen umso älter werden, je mehr ein Land in seine Gesundheitsversorgung investiert. Ein Punkt im Diagramm jedoch weicht dramatisch vom allgemeinen Trend ab: der amerikanische. Unter den 23 reichsten Industrieländern haben die USA die mit Abstand höchsten Pro-Kopf-Kosten - und die niedrigste Lebenserwartung.

Eine Gesundheitsreform ist also dringender denn je, und just dieser Notstand ist es, der das jetzige Konzept der Republikaner so unerträglich macht. Denn ihre "Reform" dient nicht der Lösung wahrlich Tod bringender Probleme, sondern allein dazu, Präsident Donald Trump den ersehnten gesetzgeberischen Prestigeerfolg zu verschaffen. Es ist einer jener Deals, gegen die Trump stets zu Felde gezogen war: Er befriedigt die Washingtoner Polit-Elite - und schadet Amerika.

Dass es so weit kommen konnte, ist dem Popanz geschuldet, den die Republikaner jahrelang um Barack Obamas Gesundheitsreform veranstaltet haben und der sie nun zu deren Aufhebung im Hauruckstil zwingt. Aus europäischer Sicht war nie nachvollziehbar, wie ein Gesetz, das 20 Millionen Bürgern erstmals einen Basis-Gesundheitsschutz verschaffte, so verhasst sein kann. Für viele Konservative jedoch symbolisiert Obamacare alles, was ihnen am liberalen Amerika zuwider ist: Sie halten das Gesetz für teuren staatlichen Dirigismus, mit dem zugleich eine soziale Hängematte für Taugenichtse aufspannt wurde, während die kaum besser betuchte untere Mittelschicht weiter auf dem harten Boden schlafen muss.

Für viele Republikaner ist der Gesundheitsmarkt ein Markt wie jeder andere, einer, auf dem jeder seines Glückes Schmid ist. Wer verantwortlich lebt, so die Logik, kann sich günstig versichern, wer sündigt, ist selbst schuld und muss mehr zahlen. Auch wenn Anreize für ein gesundes Leben zweifellos sinnvoll sind, ist diese Haltung doch zynisch, denn der Einfluss des Menschen auf sein eigenes Wohl und Wehe ist bekanntlich begrenzt. Und was hilft ein gesunder Lebenswandel, wenn selbst eine Obamacare-Police mit mindestens 20 000 Dollar im Jahr so teuer ist, dass eine vierköpfige Familie mit geringem Verdienst sie nicht bezahlen kann?

Präsident Trump nimmt Millionen Bürgern den Schutz - das ist dumm und schändlich

Stattdessen schleppen sich die Menschen in die Notaufnahmen der Krankenhäuser, wo verantwortungsbewusste Mediziner sich trotz fehlender Versicherung um sie kümmern. Sinnvoll ist diese Strategie nicht, denn oft beginnt die Behandlung ernster Krankheiten so viel zu spät. Zudem treibt der teure Klinikbesuch die Kosten für die Allgemeinheit in die Höhe. Die OECD-Grafik zeigt das Ergebnis.

Statt die Prävention zu stärken, eine Basisversicherung für weniger Betuchte zu schaffen, ausufernde Arzt-Honorare zu deckeln und die teils obszönen Medikamentenpreise zu senken, geht Trump den genau umgekehrten Weg: Er entlastet Spitzenverdiener, erhöht den Druck auf die Ärmsten und hofft ansonsten, dass der Markt die Dinge schon regeln wird. 24 Millionen Bürger, so hat das überparteiliche Haushaltsbüro des Kongresses errechnet, könnten mit der "Reform" ihren Krankenversicherungsschutz verlieren. Es ist eine Schande.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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