Gesundheit:Streit über den Schutz von Demenzkranken

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Die Debatte, unter welchen Bedingungen Demenzkranke an Arzneimitteltests teilnehmen können, spitzt sich zu. Die Koalitionsfraktionen werden sich nicht einig - ein Treffen wurde jetzt abgebrochen.

Von Kim Björn Becker, München

Der Streit über die Frage, unter welchen Bedingungen Demenzkranke an Arzneimitteltests teilnehmen können, spitzt sich zu. Ein Treffen zwischen den Gesundheitspolitikern der Koalitionsfraktionen und dem Bundesgesundheitsministerium am Donnerstag wurde nach Informationen der Süddeutschen Zeitung abgebrochen, da man sich über den Kurs nicht verständigen konnte.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) möchte, dass Demenzkranke in Zukunft auch an Studien teilnehmen können, die den Probanden keinen unmittelbaren Nutzen in Aussicht stellen, sondern lediglich einer größeren Gruppe von Patienten mit ähnlichem Krankheitsbild. Dies ist in Deutschland bislang verboten. Gröhes Gesetzentwurf sieht als Bedingung vor, dass die Demenzkranken bereits vor Ausbruch der Krankheit in einer Patientenverfügung festhalten müssen, dass sie später einmal an gruppennützigen Studien teilnehmen wollen. Zudem muss der gesetzliche Vertreter der Teilnahme an einer konkreten Studie abermals zustimmen.

Bei einigen Bundestagsabgeordneten von Union und SPD regt sich Widerstand gegen den Plan. Der CDU-Gesundheitspolitiker Hubert Hüppe nannte das Gesetz einen "Tabubruch". Er warnte davor, dass der Schutz von Demenzkranken unnötig aufgeweicht werde. Forscher hätten bislang nicht nachweisen können, dass derartige Studien zwingend erforderlich seien, so Hüppe. So sei die Änderung denn auch "keine explizite Forderung" der forschenden Pharmaindustrie gewesen. In den kommenden Tagen wollen sich Vertreter der Fraktionen und des Ministeriums erneut treffen, um über das Gesetz zu sprechen.

Die Kritik ist nicht neu. Evangelische und katholische Kirche warnten bereits Anfang Mai in einer gemeinsamen Stellungnahme vor "schwerwiegenden Gefahren und Missbrauchsrisiken" für die Betroffenen. Von einem Erfordernis der geplanten Änderung zeigten sich die Kirchen nicht überzeugt. Kürzlich wandte sich auch eine Gruppe von Mitgliedern der Ethik-Kommission des Landes Berlin an den Bundestag. In dem mehrseitigen Schreiben äußerten sie ihre "nachdrückliche Bitte" an die Abgeordneten, von der geplanten Regelung "Abstand zu nehmen". Das Vorhaben des Ministeriums führte zu "gravierenden ethischen und rechtlichen Problemen", argumentierten die acht Mitglieder der Kommission.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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