Gesundheit:Deutschland bleibt sitzen

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SZ-Grafik; Quelle: Ergo Versicherung (Foto: SZ-Grafik)

Die Bundesbürger bewegen sich immer weniger. Nicht einmal die Hälfte schafft die von der WHO empfohlenen 150 Minuten Bewegung pro Woche. Ein Büromensch sitzt im Durchschnitt elf Stunden pro Tag.

Von Guido Bohsem, Berlin

Wer sich zu wenig bewegt, kriegt mit großer Sicherheit Ärger mit seiner Gesundheit. Chronische Rückenschmerzen, Burn-out-Syndrom, Bluthochdruck und Diabetes sind nur ein paar der möglichen Folgen von zu wenig Aktivität im Leben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ausgerechnet, dass in Europa jährlich etwa 1,2 Millionen Menschen sterben, weil sie sich zu wenig bewegt haben.

Diese Erkenntnis ist nicht besonders neu. Doch spielt sie im Leben der Deutschen keine besonders große Rolle. Oder besser gesagt, sie spielt eine immer geringere Rolle. Laut einer Umfrage im Auftrag der Krankenversicherung DKV schaffen in diesem Jahr nur etwa 45 Prozent aller Teilnehmer die von der WHO empfohlenen 150 Minuten Bewegung in der Woche. Vor zwei Jahren waren es immerhin noch 54 Prozent, die diese Zeit mit Gehen, körperlichem Arbeiten oder Sport füllten.

Dazu trägt laut Studie vor allem die Zeit in der Arbeit bei. "Fast die Hälfte der Menschen, etwa 46 Prozent, wird hauptsächlich fürs Rumsitzen bezahlt", sagte DKV-Chef Clemens Muth. Menschen mit einem Bürojob verbringen etwa 73 Prozent ihrer Zeit sitzend am Schreibtisch. Weil auch in der Freizeit hauptsächlich gesessen werde, sitze der Büromensch im Durchschnitt etwa 11 Stunden am Tag.

Nach Aussagen des Studienleiters Ingo Froböse laufen die Schreibtisch-Sitzer dadurch Gefahr, früher zu sterben. "Bei Personen, die bereits sieben Stunden am Tag sitzen, führt jede weitere Stunde Sitzen zu einer fünfprozentigen Erhöhung der Gesamtsterblichkeit", sagte Froböse. Die gute Nachricht sei, dass man die Belastungen durch das lange Sitzen durch Bewegung wieder wettmachen könne. Dazu sei aber eine körperliche Aktivität von über einer Stunde notwendig. Von den etwa 2800 Befragten gaben aber nur 24 an, auf einen solchen Tageswert zu kommen.

Tatsächlich wollten die Schreibtischarbeiter nach eigenen Angaben lieber mehr stehen, sagte Froböse. Im Durchschnitt würden sie ihre sitzende Arbeitszeit am liebsten halbieren. Doch gehöre bei vielen das Sitzen einfach zum Arbeitsalltag und kaum einer mache sich Gedanken darüber. "Das Aufstehen fängt im Kopf an", sagte Froböse. Er empfiehlt deshalb, die Telefonate lieber stehend zu verbringen oder sich einen höheren Arbeitsplatz zu suchen.

Auch müssten Konferenzen nicht zwangsläufig Sitzungen sein. "Meetings kleinerer Arbeitsgruppen können gut im Gehen stattfinden", sagte Froböse. Statt eine Mail zu schreiben, solle man lieber öfter mal persönlich zu den Kollegen gehen. Wer viel trinkt, ist auch bei der Bewegung im Vorteil, weil man häufiger auf die Toilette gehen muss. Grundsätzlich gelte zudem: lieber die Treppe als den Aufzug nehmen und so den Kreislauf in Schwung bringen.

Immer mehr Deutsche verbringen laut Studie ihre Arbeit vor dem Computer. Das gilt allerdings nicht nur für die Arbeit, sondern auch für die Freizeit. 13 Prozent der Befragten gaben an, mehr als zwei Stunden täglich in ihrer Freizeit vor dem Computer zu sitzen. Gemessen an der Altersgruppe sind es vor allem die 18- bis 29-jährigen, die am längsten sitzend auf die Bildschirme schauen. Im Schnitt sind es 98 Minuten pro Tag.

Der größte Sitzfaktor für die Freizeit bleibt mit großem Abstand der Fernseher. Hier unterscheiden sich Frauen und Männer in ihrem Verhalten nur geringfügig. Beide kommen im Schnitt auf etwa 120 Minuten pro Tag. Hier sind es vor allem Menschen über 50, die sehr lange fernsehen - wer älter ist als 66 Jahre im Schnitt sogar 160 Minuten am Tag und damit 74 Minuten länger als die Befragten unter 30 Jahren. Am längsten sitzen übrigens stark übergewichtige Menschen vor der Glotze. Im Durchschnitt verbringen sie dort pro Tag 165 Minuten.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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