Gesundheit:Bitte melden!

Lesezeit: 2 min

Im post-antibiotischen Zeitalter verlaufen längst besiegt geglaubte Krankheiten wieder tödlich: der Krankenhauskeim Clostridium difficile. (Foto: Janice Carr/AP)

In deutschen Krankenhäusern sterben jedes Jahr bis zu 15000 Menschen an resistenten Keimen. Jetzt startet die Bundesregierung endlich ein Aktionsprogramm. Es hat sogar Auswirkungen auf die Viehhaltung.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Bundesregierung will die Ausbreitung von Keimen besser kontrollieren, gegen die viele Antibiotika wirkungslos sind. Dazu hat das Gesundheitsministerium von Hermann Gröhe (CDU) die bisher geltenden Meldepflichten überarbeiten lassen. Die der Süddeutschen Zeitung vorliegende Verordnung wurde am Freitag dem Gesundheitsausschuss des Bundesrats zugeleitet.

Mit dem Vorhaben werden nun auch alle niedergelassenen Ärzte und Labore verpflichtet, besonders relevante multiresistente Bakterien zu melden, wenn sie solche entdecken - auch wenn es sich um einen Einzelfall handelt. Bislang galt diese Meldepflicht für Krankenhäuser und Einrichtungen, in denen ambulant operiert wurde. Zu melden sind gefährliche Krankenhauskeime (Clostridium difficile), besonders aber Erreger, gegen die auch Wirkstoffe der Antibiotika-Gruppe der Carbapeneme nichts mehr ausrichten können.

Die Carbapeneme gelten als sogenannte Reserve-Antibiotika, die zumeist nur als letzte Möglichkeit eingesetzt werden. Diese Arzneimittel sind knapp, weil die Industrie kaum noch neue Antibiotika herstellt. Und je großzügiger solche Reservemittel verwendet werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass immer mehr Bakterienstämme auch gegen sie resistent werden.

Das Problem drängt, wie Gröhe zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos unterstrich. Manch einer spricht sogar von einem post-antibiotischen Zeitalter, einer Zeit also, in der längst besiegt geglaubte Krankheiten wieder tödlich verlaufen könnten. Schon jetzt sterben in deutschen Krankenhäusern 12 000 bis 15 000 Menschen im Jahr an den resistenten Bakterien. Die Zahl der Todesopfer könnte nach einer Studie der britischen Regierung in gut 35 Jahren auf bis zu zehn Millionen steigen. In 92 Ländern wurde das Auftreten von Tuberkulose-Keimen festgestellt, die gegen herkömmliche Antibiotika weitgehend resistent sind.

Auch der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht soll eingeschränkt werden

Zudem sind die Kosten einer Behandlung von Infektionen durch resistente Erreger deutlich höher als die normaler Erkrankungen. Alleine im Krankenhausbereich in Deutschland summiert sich der Mehraufwand auf etwa sechs Millionen Euro im Jahr, heißt es in der Verordnung.

"Um die Weiterverbreitung der genannten Erreger zu verhindern, ist es erforderlich, dass die Gesundheitsämter bereits über das Auftreten von Einzelfällen informiert sind", schreibt Gröhes Ministerium in der Begründung für die strengere Meldepflicht. Diese könnten dann umgehend darauf reagieren, etwa die betroffene Einrichtungen überwachen. Zudem soll das Robert-Koch-Institut (RKI) informiert werden, um bundesweite Entwicklungen zu erkennen und auszuwerten. Wenn erkennbar häufig Infektionen auftauchen, soll das RKI die Landesbehörden beraten und der Ärzteschaft Hinweise zu Präventionsmaßnahmen geben.

Eine Ausdehnung der Meldepflichten auf weitere resistente Erreger sei im Hinblick auf den Aufwand und den zu erwartenden Nutzen nicht angebracht, heißt es in der Verordnung. Durch die neue Meldepflicht würden zusätzliche Kosten für Bund, Länder und Gemeinden in Höhe von knapp 200 000 Euro entstehen.

Die schärferen Meldepflichten sind Teil des Zehn-Punkte-Plans, den Gröhe im Frühjahr des vergangenen Jahres vorgelegt hatte. Die Zustimmung des Bundesrats gilt als wahrscheinlich. Der Gesundheitsminister hatte das Thema auch im Rahmen der deutschen G-7-Präsidentschaft auf die Tagesordnung gesetzt.

Zu den anderen Punkten gehört vor allem eine Strategie, wie die Pharmaindustrie für die Herstellung neuer Antibiotika gewonnen werden kann. Weiterhin soll der Einsatz von Antibiotika bei der Viehhaltung eingeschränkt werden: Es kommt häufiger vor, dass sich Resistenzen von Krankheitserregern, die eigentlich nur Tiere heimsuchen, auch auf solche Keime übertragen, für die Menschen anfällig sind.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: