Geschichte:Die Verwandten auf der Insel

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Mao Zedong und Chiang Kai-shek waren erbitterte Feinde - ihre Parteien aber waren auch einmal vereint.

Von Kai Strittmatter

Es war ein Duell zweier überlebensgroßer Figuren: Hier der rechte Diktator Chiang Kai-shek, der auch mithilfe von Großkapitalisten und Triadengangstern aus Shanghai seine Gegner aus dem Weg räumte, und der vor allem in den USA zum Retter Chinas verklärt wurde. Dort der nicht weniger skrupellose Bauernsohn Mao Zedong, der die kommunistische Theorie auf den Kopf stellte und seine Volksrepublik vom Land her erobern wollte, mit Hilfe einer Bauernarmee. Und jetzt standen die beiden da, in Chinas Kriegshauptstadt Chongqing, und schüttelten sich die Hände.

China im Sommer 1945. Die Besatzungsmacht Japan hatte gerade kapituliert. Dem Westen schien Generalissimo Chiang Kai-shek auf einem der "Höhepunkte seiner eigenen Geschichte und der seiner Nation" angelangt, wie ein Reporter des amerikanischen Magazins Time nach Hause kabelte. Mao Zedongs Kommunisten? Denen seien, so lasen die Time-Leser beruhigt, militärisch "alle Zähne gezogen". Die Amerikaner hatten die beiden Rivalen zu Friedensverhandlungen gedrängt. Chiang Kai-shek schickte gleich drei Telegramme hintereinander nach Yan'an, in die Lössberge des chinesischen Herzlandes, wo Maos Truppen ihr Hauptquartier hatten. "Ich muss Sie persönlich sprechen", schrieb Chiang. Mao, der jüngere der beiden, ließ sich dreimal bitten, dann sagte er zu: "Ihr kleiner Bruder kommt bald zu Ihnen." Die beiden trafen sich, tranken Reisschnaps und verhandelten fast eineinhalb Monate. Am Ende zogen sie weiter gegeneinander ins Feld. 1949 triumphierten Mao und seine Kommunisten, und riefen in Peking die Volksrepublik China aus. Chiang Kai-shek und seine geschlagenen Truppen zogen sich auf die Insel Taiwan zurück.

Interessant ist auch die Geschichte ihrer beider Parteien, der rechten KMT und der linken KP. Die beiden wurden nämlich eine Zeitlang als Zwillingsschwestern großgezogen. Die 1921 gegründete Kommunistische Partei Chinas blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück - aber an die Kuomintang kommt sie nicht heran: Die hat noch einmal ein Jahrzehnt mehr auf dem Buckel. Die Gründer der KMT stürzten 1911 die mehr als zwei Jahrtausende währende Kaiserherrschaft in China. Sie gründeten 1912 die Republik China, allerdings versank das Land bald im Chaos.

Mitte der 1920er-Jahre kam es dann zu einer merkwürdigen Allianz zwischen KMT und KP. Beide Parteien baten Moskau um Hilfe, beide wurden in der Folge nach sowjetischem Vorbild geformt. Auf Druck Moskaus verschmolzen sie ein paar Jahre lang sogar zu einer Allianz. Bis heute hat die Kuomintang - ebenso wie die KP in Peking - ein Zentralkomitee, dessen Ständiger Ausschuss die wichtigsten Entscheidungen trifft.

Die Flucht Chiang Kai-sheks und seiner Kuomintang nach Taiwan beendete den Bürgerkrieg nicht, sie fror ihn nur ein. Dass Taiwan zu ihrer Fluchtburg werden konnte, hat die KMT den USA zu verdanken. Nur der Schutz durch US-Truppen verhinderte die Eroberung der Insel durch die Volksbefreiungsarmee Maos. Bis 1979 erkannten die USA die Regierung in Taipei als offizielle Regierung ganz Chinas an, dann aber wurde Peking zu wichtig, auch als Gegengewicht zu Moskau. Es kam zur Ping-Pong-Diplomatie zwischen Richard Nixon und Mao Zedong, und die USA, später auch Deutschland und fast die ganze Welt, nahmen diplomatische Beziehungen zu Peking auf. Seither ist Taiwan diplomatisch isoliert. Militärische Schutzmacht der Insel bleiben die Vereinigten Staaten jedoch bis heute.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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