Gerhard Schröder zum 65.:Der neureiche Altkanzler

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Der Merkel-Biograph Gerd Langguth über den Machtmenschen Schröder und warum den nach seiner Zeit als Kanzler vor allem eines treibt: Geld.

Gerd Langguth

Gerd Langguth lehrt politische Wissenschaften an der Universität Bonn. Er ist Autor der vielbeachteten Biographien über Angela Merkel und Horst Köhler. Im April erscheint sein neues Buch: "Kohl, Schröder, Merkel. Machtmenschen".

Happy Birthday, Mr. Altkanzler: Gerhard Schröder wird an diesem Dienstag 65. (Foto: Foto: ddp)

Gerhard Schröder feiert am heutigen Dienstag seinen 65. Geburtstag. Er war 61, als er sein Amt als Bundeskanzler an Angela Merkel verlor. Er ist nicht der geborene Ruheständler, er will weiter etwas tun - und Geld verdienen.

Schröder hielt sich nach seinem Ausscheiden als Bundeskanzler für zu jung, um sich weiterhin nur der Politik zu widmen. Er wollte endlich richtig Geld verdienen. Und er wollte etwas Neues machen.

Schon 1991 brachte er dies auf den Punkt: "Ich sage mir immer: Was du jetzt machst, ist ja sehr schön, aber was kommt danach? Wie geht es weiter? Ich glaube, diese Haltung dem eigenen Leben gegenüber, diese ständige Suche nach etwas Neuem, unterscheidet mich von Personen, die aus einer großbürgerlichen Familie stammen. Solchen Leuten bleibt immer etwas, weil sie es immer schon hatten, während ich immer nach etwas suchen muss. Das hört nicht auf."

Es gibt also einen Post-Kanzler, der wie kein anderer seiner Vorgänger ein neues berufliches Leben begonnen hat. In einem Interview mit dem Zeit-Magazin ließ Schröder vor einigen Tagen verlauten, es sei zwar "kein berauschendes Gefühl", es von ganz unten nach ganz oben geschafft zu haben. Aber: "Ich denke schon, dass ich keinen Grund habe, mich über mein Leben zu beklagen. Wenn ich überlege, wie es begonnen hat, dann kann ich schon sagen, dass ich jedenfalls meine beruflichen Träume realisieren konnte und nach längerem Suchen auch die privaten."

Schröder ist wieder als "Rechtsanwalt" tätig - in Wirklichkeit ist er aber so etwas wie ein Lobbyist geworden. Ist das die Rolle, die ein ehemaliger Kanzler einnehmen soll? Jedem ehemaligen Bundeskanzler wird ein persönliches Büro mit mehreren Mitarbeitern sowie Dienstwagen und Fahrer zur Verfügung gestellt. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil "Ehemalige" durch Ihre Reden als "elder statesman" einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Traditionsbildung in Deutschland leisten können.

Konrad Adenauer, der auch über seine Zeit als Bundeskanzler hinaus CDU-Vorsitzender blieb, schrieb seine Memoiren, hielt im In- wie Ausland zahlreiche Reden. Willy Brandt war wie Schröder 61 Jahre alt, als er als Bundeskanzler abtreten musste. Noch viele Jahre wirkte er politisch, unter anderem als Präsident der Sozialistischen Internationale und als Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission; er hielt weiterhin wegweisende Reden.

Helmut Schmidt wurde Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit und schreibt zahlreiche Bücher, ist auch im Ausland ein viel gefragter Redner. Mit ihm hat Schröder gemeinsam, in einer amerikanischen Rednervermittlungsagentur als Redner weltweit angeboten zu werden.

Schröder hat sogar mit seinem schnell geschriebenen Buch "Entscheidungen", schon 2006 erschienen, so etwas wie Memoiren hingelegt. Doch sind sie Studenten kaum als eine wichtige Fundstelle zur Analyse seiner Politik zu empfehlen, da wichtige Ereignisse nicht wirklich umfassend beleuchtet wurden. Wie inhaltlich genussvoll im Vergleich dazu die Memoiren seines einstigen Stellvertreters Joschka Fischer!

Schröder ist weniger ein elder statesman, mehr ein "elder salesman", wie eine Journalistin in der Süddeutschen Zeitung schrieb.

Sein wichtigstes Mandat ist der Aufsichtsratsvorsitz für die Pipelinegesellschaft Nord Stream, einem Joint Venture bestehend aus der russischen Gazprom, zwei deutschen Konzernen und einem holländischen Konzern.

Schröder sagte in dem zitierten Zeit-Interview: "Ich wusste, wenn du nicht arbeitest, wirst Du zuhause ungenießbar. Ich fühlte mich mit 61 Jahren zu jung, um sozusagen nur Ruhestand zu machen." Deshalb hätte er auf einen Anruf seines Freundes Wladimir Putin hin sofort Ja zu seinem Angebot gesagt. Selbst sein Vorgänger Helmut Schmidt kritisierte sein Engagement als etwas arg schnell.

Als ein ehemaliger Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen nach dem Ende der rot-grünen Koalition zur Deutschen Bank nach London gehen wollte, ward ihm das zunächst verwehrt. Denn es gibt für den öffentlichen Dienst Regeln, dass das unmittelbar in der politischen Verantwortung erworbene Wissen nicht sofort zum Einsatz gebracht werden sollte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum es sich lohnt, darüber nachzudenken, bei wem Schröder noch auf der "Payroll" steht.

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Seine SPD hat die Rente mit 67 eingeführt. Altkanzler Gerhard Schröder könnte also längst den verdienten Ruhestand genießen. Doch dafür fühlt er sich wohl noch zu jung. Sein Leben in Bildern.

Müssten solche Regeln nicht erst recht für einen ehemaligen Kanzler gelten? Hätte Schröder nicht wenigstens seine Nachfolgerin rechtzeitig von seinen Gazprom-Überlegungen in Kenntnis setzen und um Zustimmung bitten sollen?

Scharfer Schröder-Kritiker: Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth. (Foto: Foto: ddp)

Ein solcher Vorschlag wäre von ihm sicher als unzumutbar erklärt worden, doch dann wäre ein "Geschmäckle" gar nicht erst aufgekommen, gegen das er heute so ankämpfen muss. Schröder hätte dann nämlich argumentieren können, dass sein lukratives Mandat im Einvernehmen mit der neuen Regierung erfolgte. In einer so hochsensiblen außenpolitischen Frage hätte ihm das gut angestanden.

Dass Schröder als Türöffner für den international tätigen Schweizer Ringier-Verlag insbesondere in Asien und in Osteuropa tätig ist, trägt sicherlich zu einem weiteren schönen Zuverdienst bei. Schröder hat sicher Recht, wenn er sagt: "Wenn einer sehr viel Geld verdient, soll er doch!" Wir sollten alle zu Neid unfähig sein.

Trotzdem lohnt es sich darüber nachzudenken, bei wem er sonst noch auf der Payroll steht. So zog er erst vor kurzem als unabhängiger Verwaltungsrat in das oberste Aufsichtsgremium des im Ölgeschäft tätigen russisch-britischen Gemeinschaftsunternehmens TNK-BP ein. Ferner sitzt er im Beirat des noblen französischen Bankhauses Rothschild.

Hätte Schröder das selber während seiner klassenkämpferischen Juso-Zeiten für möglich gehalten? Er hat er nach der Kanzlerzeit selbst in der gegenwärtig so verfemten Bankenwelt zu etwas gebracht.

Schröder reist als Consultant sehr viel, beispielsweise nach China und Russland oder jüngst in den Iran. Es entspricht dabei offensichtlich seinem Stilempfinden, vom Ausland aus die Politik seiner Nachfolgerin zu kritisieren. Man erinnere sich, mit welch herber Kritik seine einstige Konkurrentin Angela Merkel, damals noch Oppositionsführerin, von seiner Seite bedacht wurde, als sie sich in der Washington Post in einem Artikel kritisch mit der deutschen Politik befasste.

Schröder missfällt heute, dass Merkel den religiösen Führer Tibets, den Dalai Lama, zu einem Gespräch ins Kanzleramt empfangen hatte. Oder er kritisierte die Haltung des Westens in dem Konflikt zwischen Georgien und Russland, bezeichnete im Jargon der russischen Regierung den georgischen Präsidenten als "Hasardeur" und ließ keinerlei Kritik am militärischen Vorgehen der russischen Regierung erkennen.

Die Art, wie Schröder etwa auf einer Konferenz in Jalta für russische Interessen warb, wirft die Frage auf, ob der "Kanzler außer Diensten" noch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland oder auf eigene Rechnung agiert.

Schröders außenpolitisches Interesse gilt aber nicht nur Russland und China: Er ist Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelostvereins - eines Dienstleisters, der bilaterale Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens unterstützt. Auch das dürfte vermutlich von ökonomischem Interesse sein.

Sein letzter Iran-Besuch hat auch deshalb hohe Wellen geschlagen, weil er den Holocaust-Leugner und iranischen Präsidenten Ahmadineschad besuchte. In der SPD-Bundestagsfraktion empfanden das manche als ziemlich peinlich; ein so besonnener Mann wie der Abgeordnete Gert Weisskirchen rang sich zur Erklärung durch, Schröder wäre gut beraten gewesen, Ahmadineschad nicht zu treffen und sich stattdessen auf den ehemaligen Staatspräsidenten Chatami zu konzentrieren.

In seinem Zeit-Interview hat Schröder selbst als ethischen Kompass für die Zeit nach der Kanzlerschaft erklärt: "Und werde nicht zu einer moralischen Belastung deiner Freunde und der Menschen, die dich lieben."

Schröder hat ferner darauf hingewiesen, er sei für seine neu gewonnene Freiheit selbst verantwortlich und hinzugefügt: "Und wer da meint, er müsse das kritisieren, der kann mich mal." So wird er vermutlich auch beim Lesen dieser Zeilen denken.

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