Gerhard Schröder zum 65.:Bloß kein Altkanzler sein

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Nachkriegswunder Gerhard Schröder: Vor vier Jahren verabschiedete er sich leicht melancholisch aus der Politik - längst ist er wieder aufgeblüht.

Heribert Prantl

Er strahlt wieder so wie zu seinen besten Kanzlerzeiten - so wie 2000, im goldenen Schröder-Sommer: Das desaströse erste Regierungsjahr war vorbei, zu seiner Kanzlerschaft war, nachdem Oskar Lafontaine sein Heil in der Flucht gesucht hatte, der SPD-Vorsitz gekommen - und plötzlich fügte sich alles: Die Wirtschaft blühte auf, die Union geriet in Verfall, die rot-grüne Koalition schüttelte sich zurecht. Schröder gewann an Souveränität, er lernte schneller als einst Helmut Kohl und stand schon im zweiten Kanzlerjahr auf den Bühnen der Weltpolitik so sicher wie sein Vorgänger erst im achten.

Gerhard Schröder: Aus der aufgekratzt-virilen Jovialität von früher ist eine fröhlich-selbstgewisse Gelassenheit geworden (Foto: Foto: AP)

Der Schröder von heute ist wieder wie der Schröder von damals, nur viel entspannter. Aus der aufgekratzt-virilen Jovialität von früher ist eine fröhlich-selbstgewisse Gelassenheit geworden. Man könnte das als Seelenfrieden bezeichnen, hätte denn einer wie Schröder eine Seele, woran er selbst soeben im Gespräch mit dem Zeit-Magazin gezweifelt hat. Er zitiert einen Satz des Religionswissenschaftlers Ernest Renan, der im Original so heißt: "O Herr, so es einen Herrn gibt, rette meine Seele, so ich denn eine Seele habe". Der spöttisch-zweifelnde Satz passt zu ihm.

Wer Schröder zum Geburtstag etwas Hässliches sagten will, der erklärt diese Gelassenheit so: Geld entspannt. Der Ex-Kanzler dürfte als Chef des Aktionärsausschusses der Nord Stream, die die Ostsee-Gaspipeline baut, ein Vielfaches seines Kanzlergehalts verdienen. Aber das allein ist es nicht: Schröder hat sich selbst und den anderen gezeigt, dass er ohne Politik leben, schalten und walten kann.

Auch seine Freunde hätten es sich vor vier Jahren gewünscht, dass er eine Karenzzeit eingelegt hätte zwischen dem Ende der Kanzlerschaft und dem Manager-Job: Aber zwei Jahre lang gar nichts zu machen oder einen wattierten Posten als Unesco-Botschafter anzunehmen - da wäre ein Schröder geplatzt. Und vorher Angela Merkel zu fragen, den neuen Job so zu einer Angelegenheit des nationalen Interesses zu erklären und damit Kritik von vornherein auszuräumen? Das brachte Schröder nicht über sein Macho-Herz.

Schröder ist weit weg von den aktuellen politischen Geschäften; er scheut die Öffentlichkeit, in der man ihn als Altkanzler tituliert. Diesen Titel hasst er so wie das Gerede darüber, dass er Manager sei bei der russischen Gazprom. Die hält "nur" 51 Prozent an der Ostsee-Pipeline-Gesellschaft. Die Pipeline, deren Promoter er ist, hält Schröder nicht zu Unrecht für ein großes strategisches und historisches Projekt.

Zur Politik seiner Nachfolgerin äußert er sich nur ganz ausnahmsweise. Er bewegt sich in neuen Kreisen, mischt sich in die alten nicht ein. Für seinen alten Freund Mehdorn hat er sich zuletzt nicht verwendet. In den alten Zeiten kam der Bahn-Chef, wenn es eng für ihn wurde, mit ein paar Flaschen besten Rotweins ins Kanzleramt; und bald darauf war dann der Verkehrsminister, ob er Klimmt hieß, Bodewig oder Stolpe, auf Mehdorn-Kurs oder entlassen. Sie waren sich irgendwie ähnlich, der Mehdorn und Schröder.

Die traurige Müdigkeit, die Schröder am Ende seiner Kanzlerschaft in sich trug, ist völlig verschwunden: Damals, vor politischen Ewigkeiten, die erst gut vier Jahre her sind, feierte er auf dem Karlsruher SPD-Parteitag einen melancholischen Abschied. Im fahlen Scheinwerferlicht sah er aus wie Graf Dracula nach der Vertreibung aus Transsylvanien. Er hat sich wieder gefangen - weil er an das glaubt, was er macht; an sich zu glauben war immer seine größte Stärke. Er ist davon überzeugt, dass er nicht nur im privaten, sondern auch im nationalen Interesse die westeuropäisch-russischen Energiegeschäfte in den Griff genommen hat.

Schröder ist ein Kind des Wirtschaftswunders. Er verkörpert es wie kaum ein anderer: aufgewachsen in Armut, aufgefahren ins Kanzleramt. Er hat die Irrungen und Wirrungen seiner Generation mitgemacht, die Exaltationen der 68er und ihre Rückkehr in die Mitte der Gesellschaft. Er hat Deutschland aus dem Irak-Krieg herausgehalten. Das rechnen ihm auch die Genossen hoch an, die ihn wegen der Agenda 2010 verdammen. Er hat zwei fast aussichtslose Wahlkämpfe fast im Alleingang für die SPD so herausgerissen, dass die Partei weiterregieren konnte. Von dieser Kraft hat Schröder nichts verloren. Wer ihn also richtig ärgern will, der nennt ihn, zum 65. Geburtstag an diesem Dienstag, Jubilar und Altkanzler.

© SZ vom 07.04.2009/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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