Geheimdienste:Ein Notstand wird beseitigt

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Die mangelnde Kontrolle der Geheimdienste ist ein seit Jahrzehnten währender Dauerskandal. Mehr Kontrolle wird die Geheimdienste nicht schwächen, sondern stärken.

Von Heribert Prantl

Geheimdienste sind die heimliche Staatsgewalt; wenn sie nicht kontrolliert werden, werden sie unheimlich. Ohne gute Kontrolle sind und bleiben Geheimdienste Fremdkörper in einer Demokratie; erst gute Kontrolle macht die Geheimdienste demokratieverträglich. Diese Kontrolle existiert bisher nicht. Nirgendwo sonst war und ist daher die Bundesrepublik so wenig demokratisch und so wenig rechtsstaatlich wie dort, wo ihre Geheimdienste tätig sind.

Das Projekt der großen Koalition, die Behörde eines Geheimdienstbeauftragten zu schaffen, ist deshalb überfällig. Diese Behörde muss so ausgestattet werden, dass sie den Skandalen nicht hinterherläuft, sondern vorbeugend arbeitet. Mehr Kontrolle wird die Geheimdienste nicht schwächen, sondern stärken, weil ein Geheimdienst besser wird, wenn die Bürger, für die er arbeiten soll, dessen Arbeit nicht für suspekt halten müssen - und wenn die Mitwisser von geheimdienstlichen Missständen sich nicht mehr, wie bisher, weil sie sich nicht anders zu helfen wissen, als Whistleblower betätigen müssen.

Ein Dauerskandal seit 50 Jahren: die fehlende Kontrolle

Seit Jahrzehnten glaubte die Politik an ein Wunder; sie ließ sich von diesem Glauben durch nichts, durch niemanden und durch keinen Skandal erschüttern: Die jeweilige Regierungspolitik glaubte daran, dass insgesamt 13 Abgeordnete - in Worten dreizehn! - die Arbeit von mehr als zehntausend deutschen Geheimdienstlern kontrollieren können; der Bundestag widersprach nicht. Hätte das Wunder der Dreizehn funktioniert: Es hätte sich eingereiht in die Mirakel der Weltgeschichte, die von der wunderbaren Brotvermehrung bis zur ewigen Kanzlerschaft der Angela Merkel reichen. Aber der Glaube an das Wunder war Heuchelei. Mit ein paar Sitzungen von ein paar Leuten, die für jeweils ein paar Stunden zusammenkommen, können nicht drei Dienste kontrolliert werden. Wenn künftig die gut ausgestattete Behörde eines Geheimdienstbeauftragten den parlamentarischen Kontrollgremien zuarbeitet, wird sich das hoffentlich ändern.

Neun Mitglieder hat das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), vier hat die sogenannte G-10-Kommission; letztere soll dafür sorgen, dass die Eingriffe der Geheimdienste in das Kommunikations-Grundrecht nach Artikel 10 des Grundgesetzes rechtsverträglich sind. Das war und ist objektiv unmöglich. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses schwarze Loch leider nie ausgeleuchtet und nie seine Beseitigung gefordert. Die Geheimdienste sind auch für die Justiz weitgehend terra incognita. Die Notstandsverfassung von 1968 hat dazu geführt, dass bei Grundrechtseingriffen durch Geheimdienste parlamentarische Kontrollgremien an die Stelle des ordentlichen Rechtswegs, der Gerichte also, treten. 47 Jahre lang, seit den Notstandsgesetzen, waren diese Kontrollgremien unordentlich, weil viel zu schwach. Dieser Zustand war ein demokratischer und rechtsstaatlicher Notstand, der viel zu lange ignoriert wurde. Jetzt wird der durch die Notstandsverfassung geschaffene Notstand hoffentlich behoben.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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