Geburtenrate:Kitas sind nur ein Anfang

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Die neue Regierung muss mehr tun, wenn sie will, dass junge Paare in Deutschland mehr Kinder bekommen. Denn auf das Abenteuer Familie lassen sich junge Paare nur ein, wenn sie ihre Zukunft verlässlich planen können - und mit befristeten Arbeitsverträgen oder Teilzeitjobs ist das nicht möglich.

Von Kristiana Ludwig

Die frohe Kunde bringt in diesen Tagen das Statistische Bundesamt: Erstmals seit den 1970er Jahren haben Frauen in Deutschland wieder mehr Kinder bekommen. Die 1,5-Kind-Durchschnittsfamilie ist im Jahr 2016 gewachsen, auf 1,59 Kinder pro Frau.

Familie ist wieder im Trend und der Grund liegt auf der Hand: Kinder sind für Paare - und besonders für Frauen - heute finanziell etwas weniger bedrohlich als früher. Die Gewissheit, dass eine Krippe einspringt, wenn beide Eltern arbeiten wollen, hat gerade bei Akademikerinnen für mehr Nachwuchs gesorgt. Kinderbetreuung ist einfacher und bezahlbarer geworden. Für den Staat ist diese Entwicklung in jeder Hinsicht positiv. Er profitiert nicht nur davon, wenn die vielen Neugeborenen irgendwann zu Fachkräften und Rentenbeitragszahlern werden, sondern auch davon, dass mehr Mütter arbeiten und weiterhin ihre Steuern zahlen.

Die erfreuliche Nachricht zeigt, was Familienpolitik bewirken kann - aber auch, was noch fehlt zum ganz großen Babyboom. Wenn die neue Bundesregierung Geburten noch stärker fördern will, dann muss sie das wirtschaftliche Risiko für Frauen weiter senken. Ein Kind kostet nämlich viel Geld, und wenn es eine Frau falsch anstellt, kann das Kind gleich die ganze Karriere kosten. Wer mit Anfang 30 aus dem Berufsleben für eine Weile aussteigt, an dem ziehen kinderlose Kollegen oft vorbei. Und wenn Frauen ihre Arbeitsstunden reduzieren, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, landen sie nicht selten in der Teilzeit-Falle. Die heißt: einmal Teilzeit, immer Teilzeit.

Für Arbeitnehmer in größeren Betrieben will die neue Regierung nun ein Rückkehrrecht auf eine Vollzeitstelle einführen, so steht es im Koalitionsvertrag. Das ist eine wichtige Maßnahme, dennoch sollte die große Koalition nicht vergessen, weshalb die Teilzeit-Falle überhaupt ein Frauenproblem und damit ein deutsches Nachwuchsproblem ist. Denn wenn ein Paar ein Kind bekommt, muss sich meist der Partner für eine berufliche Auszeit entscheiden, der weniger verdient; in vielen Fällen ist das die Frau, weil Unternehmen ihre Arbeitnehmerinnen im Durchschnitt schlechter als Männer bezahlen. Zudem sind soziale Berufe, etwa in der Altenpflege oder in Kindergärten, die schlecht bezahlt werden, überwiegend weiblich besetzt. Der Entgeltlücke zwischen Mann und Frau widmen Union und SPD in ihrem Vertrag trotzdem nur eine Ankündigung, Gesetze zu überprüfen.

Wer nur einen befristeten Job hat, lässt sich kaum auf das Abenteuer Familie ein

Wenn Berlin mehr Babys will, dann muss mehr passieren. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Bezahlung von Männern und Frauen angeglichen wird, damit im Zweifel nicht immer die Frau zurückstecken muss, wenn ein Paar Kinder bekommt. Die große Koalition muss außerdem etwas dagegen tun, dass jungen Menschen oft nur eine befristete Stelle angeboten bekommen. Zwar wollen Union und SPD die sogenannte sachgrundlose Befristung künftig zur Ausnahme machen. Doch andere Kurzzeitverträge, die Unternehmen oder Behörden jungen Berufstätigen anbieten, weil ein Projekt befristet ist oder weil der Einsteiger einen festen Mitarbeiter vertritt, bleiben möglich und wohl auch üblich. Solche befristeten Verträge mögen Firmen nützen. Aber wer das Leben nur bis zum Ende eines Projekts planen kann, wird sich kaum in das Abenteuer Familiengründung stürzen.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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