Gaza-Konflikt:Gewaltausbrüche trotz Waffenstillstands

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Drei Wochen nach Beginn der Operation "Gegossenes Blei" im Gaza-Streifen verkündet die israelische Regierung eine einseitige Waffenruhe. Nur Stunden später jedoch schießen die Palästinenser Raketen auf Südisrael, die Armee antwortet mit einem Luftangriff.

Auch nach einer einseitig von Israel verkündeten Waffenruhe geht die Gewalt im Gaza-Streifen weiter. In der israelischen Grenzstadt Sderot schlugen am Sonntag erneut sechs aus dem Gaza-Streifen abgefeuerte Raketen ein, wie ein israelischer Polizeisprecher mitteilte.

Ein Mann läuft durch eine zerbombte Straße der Stadt Rafah im Gaza-Streifen. Am späten Samstagabend verkündete Israel einen einseitigen Waffenstillstand. (Foto: Foto: AP)

Es habe keine Verletzten gegeben, lediglich ein Hühnerstall sei beschädigt worden. Zuvor war es im Norden des Gaza-Streifens sowie in der Stadt Gaza zu Feuerwechseln zwischen bewaffneten Palästinensern und israelischen Soldaten gekommen, wie Augenzeugen berichteten.

Indes startete die israelische Armee am Sonntag bereits ihren ersten Luftangriff seit der Verkündung der einseitigen Waffenruhe. Nach Angaben eines israelischen Armeesprechers zielte der Angriff auf ein Kommando in Beit Hanun, das zuvor Raketen auf Sderot geschossen habe.

Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat mit neuen Militärschlägen im Gazastreifen gedroht, sollten militante Palästinenser ihre Raketenangriffe fortsetzen. "Wenn der Beschuss weitergeht, ist die Armee darauf vorbereitet", sagte Olmert in Jerusalem. "Wir werden ohne zu zögern das tun, was getan werden muss." Die von Israel am Vorabend einseitig beschlossene Waffenruhe sei "zerbrechlich", betonte Olmert. "Man muss sie von Minute zu Minute und von Stunde zu Stunde neu prüfen."

Die israelische Regierung hatte am Samstagabend eine einseitige Waffenruhe im Gaza-Krieg beschlossen, wie Olmert mitteilte. Sie sollte am Sonntag um 02.00 Uhr Ortszeit (01.00 Uhr MEZ) beginnen. Die Bodentruppen sollen aber bis auf weiteres im Gaza-Streifen bleiben.

Mit der dreiwöchigen Offensive im Gaza-Streifen habe Israel sein Ziel erreicht, erklärte Olmert am späten Abend nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts. Die radikal-islamische Hamas sei schwer getroffen.

Die israelischen Angriffe hätten die operativen Kräfte der Hamas stark gemindert und deren Infrastruktur größtenteils zerstört, sagte Olmert. Viele Gebiete, aus denen militante Palästinenser Raketen auf Israel abfeuerten, seien jetzt unter Kontrolle der israelischen Armee.

Israels Streitkräfte könnten sich nach Angaben eines Regierungssprechers binnen weniger Tage aus dem Gaza-Streifen zurückziehen, sollte die radikalislamische Hamas die geplante Waffenruhe respektieren. Israel behalte sich allerdings das Recht vor, auf Verletzungen der Waffenruhe zu reagieren, sagte Regierungssprecher Mark Regev am Samstagabend.

Die israelische Waffenruhe wurde vom zwölfköpfigen Sicherheitskabinett nach etwa dreistündigen Beratungen beschlossen. Nach israelischen Medienberichten stimmten zwei Minister dagegen. Einer enthielt sich bei der Abstimmung, hieß es.

Hamas will Waffenruhe nicht akzeptieren

Die Hamas kündigte indes kurz nach Verkündung der Feuerpause an, trotz der Waffenruhe ihre Kämpfe fortzusetzen. "Ein einseitiger Waffenstillstand bedeutet nicht das Ende der Aggressionen und der Belagerung. Das sind Kriegshandlungen und deshalb bedeutet es nicht das Ende des Widerstandes", sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum in Gaza.

Er bemängelte zudem, dass Israel im Alleingang gehandelt habe, anstatt ein von Ägypten angeregtes Friedensabkommen abzuwarten. Die Hamas fordert den Abzug aller israelischer Truppen im Gaza-Streifen. So lange gingen die Kämpfe weiter, erklärte der Vertreter der Hamas im Libanon, Osama Hamada.

Vor der entscheidenden Abstimmung im Sicherheitskabinett hatten die israelischen Streitkräfte rund 50 Ziele im Gaza-Streifen bombadiert. Nach Militärangaben wurden Schmugglertunnel, Waffenlager und Stellungen von Kämpfern der Hamas beschossen. Allerdings wurde auch eine Schule der Vereinten Nationen getroffen, in der rund 1600 Flüchtlinge Schutz gesucht hatten. Zwei Jungen wurden getötet.

Am Sonntag soll ein Krisengipfel in Ägypten stattfinden, an dem auch Bundeskanzlerin Merkel (CDU) teilnimmt. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Kanzlerin sei von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak eingeladen worden. Auch Vertreter aus Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien, der Türkei sowie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas seien zum Krisengipfel in den Badeort Scharm el-Scheich am Roten Meer eingeladen worden.

Deutschland, Großbritannien und Frankreich sicherten unterdessen ihre Unterstützung für einen dauerhaften Waffenstillstand zu. Dies erklärten Merkel, der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister Gordon Brown in gleichlautenden, gemeinsamen Briefen Olmert und Mubarak.

Die Briefe seien am Samstag durch die Botschaften in Jerusalem und Kairo übergeben worden, sagte Regierungssprecher Steg. Darin bekunden die Staats- und Regierungschefs ihre Bereitschaft, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, die zum Ende des Waffenschmuggels nach Gaza beitragen sollen. "Wir haben uns in den letzten Tagen eng abgestimmt und werden weiter mit den israelischen und ägyptischen Regierungen zusammenarbeiten, um diese Maßnahmen zu konkretisieren."

Brown erklärte in London, sein Land biete die Unterstützung der Kriegsmarine an, um zu verhindern, dass Waffen vom Meer her in den Gaza-Streifen geschmuggelt würden. Ähnliche Angebote hätten Deutschland und Frankreich gemacht.

Israel kündigt Untersuchung an

Indes hatten die Vereinten Nationen den Beschuss einer UN-Schule in Gaza scharf verurteilt. Ein Sprecher erklärte, Israel kenne die Koordinaten der Schule und wisse, dass das Gebäude als Schutzraum genutzt werde. Er forderte eine Untersuchung wegen eines möglichen Kriegsverbrechens.

Die israelischen Streitkräfte untersuchen mittlerweile auf höchster Ebene fünf Angriffe auf zivile Ziele im Gaza-Streifen seit Beginn ihrer Offensive. Ein Militärsprecher erklärte am Samstag, ersten Ermittlungen zufolge hätten die Soldaten in allen fünf Fällen auf Beschuss aus den betroffenen Gebäuden oder deren Umgebung reagiert. Ziel israelischer Angriffe waren neben der UN-Schule auch das UN-Hauptquartier in Gaza sowie Fahrzeuge mit Hilfsgütern.

Seit Beginn der Offensive sind nach palästinensischen Angaben rund 1140 Menschen getötet worden.

© dpa/AP/Reuters/AFP/ihe/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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