Gastkommentar:Mut zu Gebühren

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Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, Studierende an den Kosten ihres Studiums zu beteiligen. Der Andrang an den Hochschulen und Universitäten erhöht den Finanzbedarf des Bildungswesens. Fünf Thesen zur Bildungspolitik.

Von Martin Butzlaff

Sollen sich Studierende in Deutschland an der Finanzierung ihres Studiums beteiligen? Angesichts des Andranges an Hochschulen und Universitäten wird diese Frage erneut und früher als erwartet wieder aktuell. Wären ausschließlich individueller Bildungszuwachs und Chancengerechtigkeit für Kinder, Schüler und Studierende die Kriterien der Bildungsfinanzierung, so wäre die Konsequenz eindeutig: Wir würden kostenfreie Kitas bauen; wir würden in bessere (Ganztags-)Schulen investieren; wir würden mehr Lehrer in kleineren Klassen einstellen; wir würden gezielt die Bildungschancen von Migrationskindern verbessern. Was wir intuitiv für richtig halten, ist aus der Bildungswissenschaft gut belegt: Je früher im Leben in den individuellen Bildungsweg investiert wird, umso größer die Chance, dass die persönliche Entwicklung des Kindes den erhofften Schub bekommt.

Parallel zu dieser Investition in frühe Bildung würden wir die 20- bis 30-jährigen Studierenden in einem vertretbaren Ausmaß an den Kosten ihres Studiums beteiligen. Dazu fünf Thesen im Sinne von mehr Bildungsgerechtigkeit:

Mehr Geld: Angesichts des rasanten Zuwachses an Studierenden brauchen die Hochschulen deutlich mehr Geld.

Mehr Kinder: Wenn wir als eines der geburtenärmsten Länder Europas wieder dauerhaft mehr Kinder haben wollen, dann ist - als klares Signal an künftige Eltern - eine kostengünstige und hochwertige Kinderbetreuung unverzichtbar. Hier müssen wir nachlegen und weiter investieren: in den Ausbau von Kindertagesstätten, in bessere Ausbildung, Mitarbeiter-Bezahlung und Betreuungsqualität.

Mehr Integration: Deutschland ist Einwanderungsland und wird es noch lange bleiben. Für die immense Integrationsaufgabe, vor der wir stehen, brauchen wir dringend besser ausgestattete Schulen: mehr Sprachunterricht, mehr Lehrer, mehr Sozialarbeiter und Psychologen, kleinere Klassen.

Mehr Mut: Weiterhin gilt es, alle talentierten und qualifizierten jungen Menschen zu einem Studium zu ermutigen und dabei jede Form sozialer Selektion - in Deutschland immer noch ausgeprägt - zu reduzieren.

Mehr Eigenverantwortung: Studierenden im Alter zwischen 18 und 30 Jahren können wir eine begrenzte finanzielle Verantwortung für ihr Studium zumuten - besonders, wenn dieser Beitrag nachgelagert erfolgen kann, wenn also erst und auch nur dann gezahlt zu werden braucht, wenn das Studium zu einem entsprechenden Einkommen geführt hat.

Ein klug gestalteter finanzieller Beitrag der Studierenden kann in dreifache Richtung wirken: Hochschulen und Universitäten werden angemessen finanziert. Die Gesellschaft erhält wichtige Ressourcen, die sie für den Bildungsausbau im Kindergarten- und Schulalter dringend benötigt. Die Studierenden tun das, was wir im späteren Leben ohnehin von ihnen erwarten: Sie übernehmen persönliche und gesellschaftliche Verantwortung.

Martin Butzlaff, 53, ist Präsident der Universität Witten/Herdecke

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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