Gastkommentar:Höcke gehört in die AfD

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Selbst die allergrößte Nähe zum Nationalsozialismus ist nicht groß genug, um der Partei zu schaden. Nur so ist es möglich, dass einer, der denkt wie ein Nationalsozialist und redet wie ein Nationalsozialist, für das AfD-Schiedsgericht kein Nationalsozialist ist.

Von Christian Bommarius

Björn Höcke denkt wie ein Nationalsozialist, und er redet wie ein Nationalsozialist, aber er ist kein Nationalsozialist, sondern der Vorsitzende der AfD-Thüringen. Das Urteil, wonach Höcke nicht als Nationalsozialist anzusehen sei, hat vor einigen Tagen das Schiedsgericht der Landespartei gesprochen. Es ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens hatte der Bundesvorstand Anfang 2017 mit der Begründung, Höcke habe "in Publikationen und insbesondere in Reden eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus gezeigt" und dadurch der Partei geschadet, ein Ausschlussverfahren gegen Höcke eingeleitet. Aus Sicht des Landesverbandes scheint es jedoch keine "übergroße Nähe zum Nationalsozialismus" zu geben, weshalb selbst die allergrößte Nähe zum Nationalsozialismus offenbar keine "übergroße" Nähe bedeutet.

Zweitens liegt die Frage auf der Hand, wie es möglich ist, dass einer denkt wie ein Nationalsozialist und redet wie ein Nationalsozialist, ohne ein Nationalsozialist zu sein. Die Antwort hat das Schiedsgericht in lobenswerter Klarheit selbst gegeben: Höcke habe mit seinen Äußerungen - unter anderem hatte er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Mahnmal der Schande" verhöhnt - nicht gegen die Grundsätze der Partei verstoßen. Das ist nur allzu wahr. Seit einigen Jahren zählt zu den wenigen unumstößlichen Grundsätzen der Partei, dass kein Mitglied, das denkt und redet wie ein Nationalsozialist, allein deshalb als Nationalsozialist anzusehen sei und in der Partei nichts zu suchen habe. Tatsächlich ist zu befürchten, dass sich in diesem Fall die Partei selbst ausschließen, zumindest ein großer Teil der Mitglieder die AfD verlassen müsste. Das zu verlangen wäre evident parteischädigend. Weshalb nach dem Spruch des AfD-Gerichts im Fall Höcke gesagt werden kann: Nicht nationalsozialistisch tendierende Mitglieder schaden der Partei, schädlich ist allein der Ruf nach ihrem Ausschluss.

Christian Bommarius, 59, ist Publizist und Träger des Heinrich-Mann-Preises 2018.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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