Bundeskanzlerin Angela Merkel gerät durch die Klimabeschlüsse von Schloss Elmau zu Hause unter Druck. Zahlreiche Umweltverbände und auch die Grünen lobten zwar die Beschlüsse, verlangen aber nun von Merkel Taten im eigenen Land. "Wir nehmen Merkel beim Wort", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Süddeutschen Zeitung. "Sie muss jetzt liefern, sonst wird sie bloß Ankündigungskanzlerin bleiben." So müsse sie "ihren Kohlekurs sofort stoppen und den deutschen Kohleausstieg einleiten". Sonst seien die Beschlüsse wertlos.
Der Naturschutzverband Nabu rief Merkel auf, sich hinter Klimapläne ihres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) zu stellen. Letztlich gehe es um Merkels Glaubwürdigkeit. Der Öko-Energie-Verband BEE sprach von einem "Lackmustest" für die Klimapolitik der Regierung. Der Streit über Gabriels Klimapläne tobt seit Wochen. Um das deutsche Klimaziel bis 2020 doch noch zu erreichen, hatte er eine Klimaabgabe ins Spiel gebracht. Sie würde ältere Kohlekraftwerke weniger wirtschaftlich machen. Betroffen wären davon vor allem die Stromkonzerne RWE und Vattenfall. Neben den Gewerkschaften protestieren auch die betroffenen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg gegen den Plan. Damit droht auch innerhalb der Union neuer Streit. Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) warnte am Dienstag vor neuen Alleingängen beim Klimaschutz und den wirtschaftlichen Folgen eines raschen Kohleausstiegs. Wenn es nicht gelinge, mehr als sechs Länder von der Energiewende zu überzeugen, gefährde Deutschland seine eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Merkel selber sieht offenbar keinen Grund, den Ausstieg aus der Kohle-Produktion zu forcieren. Es gebe "eine ganze Reihe von Schwachstellen", sagte sie nach dem G-7-Gipfel. "Wir werden unsere Ziele nur dann erreichen können, wenn wir in allen Bereichen Anstrengungen unternehmen." Im Übrigen rede man in Deutschland über die Erfüllung des Ziels für 2020, "und bei der Dekarbonisierung sprechen wir über den Lauf des Jahrhunderts".
Die deutsche Energiebranche sieht sich vor einem Epochenwechsel
Das fordert auch die Energiekonzerne heraus. Vom Gipfel in Elmau gehe "ein starkes Signal in Richtung Dekarbonisierung und Dezentralisierung der weltweiten Energiesysteme aus", sagt Frank Mastiaux, Chef des Karlsruher Stromkonzerns EnBW. Noch immer werden 50 Prozent des Stroms aus der besonders klimaschädlichen Kohle gespeist. Konzerne wie Vattenfall, Eon, RWE und EnBW erzielen einen Großteil ihrer Gewinne weiter aus dem Geschäft mit fossilen Energien - doch nach dem Willen der G7 soll der Umbau der kompletten Energiewirtschaft in den Industriestaaten in den nächsten 35 Jahren vollzogen werden.
Schon jetzt erwartet die angeschlagene Energiebranche in den nächsten Jahren einen regelrechten Epochenwechsel. "Das Energiegeschäft, so wie wir alle es kennen, wird zu einem vergangenen Kapitel Industriegeschichte", ist sich Eon-Chef Johannes Teyssen sicher.
Auch der schwedische Vattenfall-Konzern, der in der Lausitz Braunkohle baggert und verstromt, hat sich mit dem bevorstehenden Strukturwandel offenbar schon abgefunden. "Vattenfall ist sich der Notwendigkeit bewusst, aus den fossilen Energien auszusteigen", heißt es dort. Nur dürfe das eben nicht zu abrupt passieren.