Front National:Patriarch mit Gift und Galle

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FN-Gründer Le Pen wird von seiner Tochter abserviert und rechnet mit ihr ab. Von Verrat und Vatermord ist die Rede.

Von Christian Wernicke, Paris

Die Rache sei sein, spricht der alte Herr: Jean-Marie Le Pen, Gründer und bisher Ehrenvorsitzender von Frankreichs rechtsextremem Front National (FN), will mit allen Mitteln gegen Marine, seine Tochter und politische Erbin, zu Felde ziehen. Am Morgen nach der Entscheidung der FN-Spitze, dem 86 Jahre alten Patriarchen seinen FN-Ehrentitel und das Parteibuch zu entziehen, schmähte der EU-Abgeordnete in Interviews "die Treulosigkeit" und "den Verrat" der FN-Chefin und kündigte an, auch juristisch gegen seine Kaltstellung vorgehen zu wollen. Er wähnt sich in einem Kampf auf Leben und Tod: "Falls Sie meinen Leichnam finden, seien Sie gewiss: Ich bringe mich nicht selber um!"

Nach einem wochenlangen Familiendrama hatte Marine le Pen am Montagabend den Bruch mit ihrem Vater vollzogen. Das FN-Exekutivkomitee beschloss, die Parteimitgliedschaft von Jean-Marie Le Pen auszusetzen. Binnen drei Monaten sollen die mehr als 80 000 Mitglieder das für den Parteigründer 2011 kreierte Amt des Ehrenvorsitzenden wieder abschaffen. Zudem will die Tochter Le Pen die Krise zur Modernisierung der Parteistrukturen nutzen. Ob dazu auch eine Änderung des Parteinamens zählt, blieb zunächst offen.

Eine Namensänderung verlangt ab sofort auch Vater Le Pen. Nur meint er eine andere: Es sei "eine Schande, dass die Präsidentin des Front National meinen Namen trägt", wetterte er im Radiosender "Europe 1", "ich möchte, dass sie den so schnell wie möglich verliert." Als Mittel zum Zweck empfahl er der Tochter, ihren Lebensgefährten, den FN-Vizepräsidenten Louis Alliot zu ehelichen. Als zweite Wahl komme der junge (erklärtermaßen homosexuelle) Parteistratege Florian Philippot infrage, der engste Berater von Marine Le Pen gilt als Intimfeind des Patriarchen.

Erstmals ging der FN-Gründer so weit, sich gegen die Wahl seiner Tochter bei der Präsidentschaftswahl 2017 auszusprechen. Ein solcher Triumph als Lohn für ihre Machenschaften wäre "skandalös". Er warf ihr vor, sie agiere "schlimmer" als die unter FN-Mitgliedern verhassten Sozialisten (PS) oder die bürgerliche UMP. Seine Tochter sei "eine Gegnerin, die einen hinterrücks bekämpft". Die FN-Chefin reagierte kühl: "Diese Ausbrüche zeigen, dass es keine andere Lösung gab" als den politischen Vatermord, sagte sie.

Experten meinen, dass die FN-Basis Marine Le Pens Kurs billigen wird. Drei Viertel der Mitglieder traten dem FN bei, nachdem sie 2011 die Führung vom Vater übernommen hatte.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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