Frankreich:Zwischen den Fronten

Wie sich der linke Jean-Luc Mélenchon diskreditiert.

Von Stefan Ulrich

Frankreich kennt die kluge Tradition der "republikanischen Front": Wenn die Republik mit ihren Werten der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Gefahr ist, weil der rechtsextreme Front National nach der Macht greift, schließen sich alle anderen Parteien von rechts bis links gegen ihn zusammen. Ein Beispiel dafür gab die Präsidentschaftswahl 2002. Dank der geschlossenen Unterstützung durch die republikanische Front siegte der Gaullist Jacques Chirac haushoch gegen den damaligen Front-Chef Jean-Marie Le Pen.

Kommenden Sonntag tritt Le Pens Tochter Marine gegen den sozialliberalen Emmanuel Macron an. Wieder formiert sich eine republikanische Front, die zur Wahl Macrons aufruft, um zu verhindern, dass Le Pen in den Élysée einzieht - und mit ihr Nationalismus, Rassismus und autoritäres Herrschen.

Einer verweigert sich jedoch der Unterstützung Macrons: Der stramm linke Jean-Luc Mélenchon erklärt Le Pen zwar zur "Halb-Verrückten", unter der ein Flächenbrand drohe und für die man nicht stimmen solle. Er weigert sich aber, seine Anhänger konsequenter Weise zur Wahl Macrons aufzufordern. Diese Distanz, so glaubt er, nutzt ihm am besten, um zum neuen Führer der Linken zu werden. Mélenchon riskiert also einen Erfolg Le Pens, um seine Karriere zu fördern. Als Anführer eines neuen, aufrechten Frankreichs hat er sich damit diskreditiert.

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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