Frankreich:Toleriertes Elend

Zur Abschreckung behandelt Paris Migranten wie Dreck. Das geht nicht.

Von Christian Wernicke

Seine Nation, so hat Premierminister Édouard Philippe am Mittwoch zugegeben, sei im Umgang mit Flüchtlingen aus aller Welt "nicht auf der Höhe". Also nicht dort, wo Frankreich - die Heimat der Menschenrechtserklärung mit universellem Anspruch - sein könnte, ja sein will. Jeder Tourist kann das in Paris sehen: Vor allem im Norden der Hauptstadt schlafen dunkelhäutige Gestalten unter Brücken oder in Parks. Sie warten wochenlang auf einen Termin bei der überlasteten Asylbehörde oder - noch lieber - auf die nächste Polizeirazzia. Denn so, per Zugriff und Festnahme, bekommt man als Flüchtling am ehesten eine Pritsche und ein Dach über dem Kopf.

Seit Jahren betreibt Frankreich eine Art Abschreckungsstrategie: Das staatlich tolerierte Elend soll weitere Elende fernhalten. Flüchtlinge anno 2017 sind über ihre Handys vernetzt. Sie berichten ihren Verwandten und nachreisenden Freuden, wie dreckig es zugeht im Staats-Slum von Metz. Frankreichs neuer Innenminister Gérard Collomb, so bezeugen NGOs, soll die lästigen Fremden in Calais gar mit Abszessen verglichen haben. Das lässt befürchten, dass Frankreich noch lange um humanitäre und moralische Größe wird ringen müssen.

Man male sich das aus: Hätte im Mai statt Emmanuel Macron die rechtsextreme Marine Le Pen die Präsidentschaft errungen, so würde jetzt halb Europa gegen die Zustände protestieren. Zu Recht.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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