Frankreich:Mutig und jung

Präsident Macron bekennt sich klar zur Mitverantwortung Frankreichs für Verbrechen an Juden im Zweiten Weltkrieg.

Von Christian Wernicke

Für Historiker stand Frankreichs Mitschuld an der Ermordung vieler Tausend Juden im Zweiten Weltkrieg seit Langem fest. Die Politik aber rang sich zu dieser Selbsterkenntnis elendig langsam durch: Ein halbes Jahrhundert verging, ehe Jacques Chirac 1995 das Tabu brach. Der Konservative war der erste Präsident, der aussprach, was seine Vorgänger nie hatten wahrhaben wollen: dass Büttel der Vichy-Regierung unter deutscher Besatzung eifrige Mittäter waren beim Holocaust.

Emmanuel Macron hat sich am Sonntag klar zur Verantwortung seiner Nation bekannt. Das war nötig. Im April hatte die Rechtspopulistin Marine Le Pen die alte Lüge wiederbelebt, Frankreich trage keinerlei Schuld - denn "Vichy" sei nie das wahre Frankreich gewesen. Zugleich hatte Macron am eigenen Leib erfahren, wie tief die antisemitischen Vorurteile sitzen: PR-Tölpel der konservativen Republikaner hatten den früheren Bankier des Hauses Rothschild in Nazi-Manier mit vorgeblich jüdischer Hakennase karikiert.

Verdienstvoll ist, dass Macron nicht nur Opfer betrauert. Er nennt auch Täter, darunter den Vichy-Schergen René Bousquet. Der Mann blieb nach dem Krieg fast 40 Jahre lang unbehelligt, lebte in Reichtum und im Dunstkreis der Macht. Es gab etliche Bousquets, die die Republik davonkommen ließ. Macron ist mutig und jung genug, an die Verantwortung Frankreichs zu erinnern.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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