Frankreich:Möchtegern-David

Lesezeit: 2 min

Florian Philippot, Vizepräsident von Frankreichs Front National, legt sich offen mit Katar an - und wird verklagt. Jetzt geriert er sich als Vorkämpfer für die Bürgerrechte, ja, als Märtyrer der Meinungsfreiheit.

Von Christian Wernicke

Die Rolle ist Florian Philippot wie auf den Leib geschneidert. Der blasse, erst 33 Jahre alte Vizepräsident von Frankreichs Front National spielt gern den David: den kleinen, einfachen Mann also, der - bewaffnet mit klaren Parolen und schlichten Wahrheiten - gegen alle Goliaths dieser Welt in den Kampf zieht.

Ob die anonyme Macht der Globalisierung oder die Regelungswut Brüsseler Eurokraten, ob die heimische "classe politique" oder all die Ausländer und Muslime, die Frankreich angeblich erobern: Florian Philippot nimmt es mit allen auf. Jeden Tag. So wie am 9. Januar dieses Jahres, als der FN-Vize im Radio gegen den reichen, übermächtigen Wüstenstaat Katar wetterte: Das viele Geld von Scheich Tamim bin Hamad Al Thani und seiner Familie, schimpfte Philippot, habe längst "die französischen Eliten intellektuell und moralisch korrumpiert". Obendrein, so schob er nach, finanziere Katar zusammen mit Saudi-Arabien einen "Islamismus, der tötet."

Das war den Kataris zu viel. Die Scheichs verklagten den FN-Mann wegen Verleumdung. Einen größeren Gefallen hätten sie Philippot kaum tun können. Denn seither geriert sich der rechtsextreme Europaabgeordnete als Vorkämpfer für Frankreichs Bürgerrechte, ja als Märtyrer der Meinungsfreiheit: "Katar wird mich nicht zum Schweigen bringen", verbreitet er über Twitter, "eine islamistische Diktatur hat kein Recht, den Franzosen zu diktieren, was sie sagen dürfen!" Philippot verlangt (bisher vergeblich) Polizeischutz, er bittet (bislang unerhört) um eine Audienz bei Präsident François Hollande. Und er fordert, da ein Gericht im Pariser Vorort Nanterre ihn für Freitag vorgeladen hat, Solidarität ein - von "allen Demokraten in Frankreich".

Tatsächlich munitioniert Philippot seine Attacken auf das Emirat mit Argumenten, die sonst eher kritische Geister der Linken äußern: die elenden Lebensbedingungen für Gastarbeiter im Golfstaat etwa, oder die Machenschaften um die Fußball-WM 2022. Zudem schürt der FN-Politiker geschickt das Unwohlsein vieler Landsleute, die seit Jahren mit ansehen, wofür die Kataris ihre Milliarden so ausgeben. Sie kaufen Luxushotels in Paris und Cannes ebenso wie gerade 24 Rafales, den besten und teuersten Kampf-Jet der Nation. Das Regime in Doha hält Anteile an französischen Großkonzernen wie Total, Vinci und EADS, und Fußballmeister Paris Saint-Germain (PSG) muss sich als QSG beschimpfen lassen, seit der Verein Nasser Ghanim Al-Khelaïfi gehört, einem Multimillionär und Freund des Herrscherhauses.

Paris umgarnt die Kataris, auch mit fragwürdigen Fiskalprivilegien bei Immobilienhandel und Vermögensteuer. Den Eindruck, dass Frankreichs Establishment zu sehr die Nähe der Scheichs sucht, nährte allen voran Nicolas Sarkozy. Der Ex-Präsident reist regelmäßig nach Doha, um für sechsstellige Honorare Vorträge zu halten. Und einer der Anwälte, der nun für Katar Klage führt, ist Maître Jean-Pierre Mignard, ein enger Kumpan von Präsident Hollande. Also noch so ein Goliath für Philippot, den kleinen David.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: