Frankreich:Kabinett und Kalkül

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Präsident Macron erwählt seine Minister nach machttech-nischen Überlegungen. Er braucht vor allem eine Mehrheit in der Natinalversammlung. Da beginnen die Probleme aber schon.

Von Christian Wernicke

Zuerst wird gewählt, dann wird regiert. So funktioniert Demokratie, eigentlich. In Frankreich geht es dieser Tage anders herum. Dort haben die Bürger zwar einen Präsidenten gekürt. Aber das Parlament, das in den nächsten Jahren die Regierung tragen und über alle Gesetze abstimmen muss, wird erst Mitte Juni gewählt. Die bunte Ministerriege, die Staatsoberhaupt Emmanuel Macron jetzt eingesetzt hat, ist nur ein Übergangskabinett. Und vor allem ein Signal im Wahlkampf.

Präsident Macron nämlich fürchtet, seine gerade gewonnene Macht im Staat schon in vier Wochen wieder teilen zu müssen. Die konservativen Republikaner haben mit ihrem von Skandalen zerschundenen Kandidaten François Fillon zwar gerade ein Fiasko erlitten. Nun aber wollen sie Revanche: Sie rechnen sich Chancen aus, bei der Wahl zur Nationalversammlung die Mehrheit zu gewinnen. Dann könnte die rechte Opposition den Premierminister stellen - und Macron in eine Kohabitation zwingen, jene verzwickte politische Zwangsheirat, die ein Präsident mit einem Regierungschef einer anderen Parteien eingehen muss.

Macrons Idee: Die Minister helfen zur Mehrheit im Parlament

Macron will den Plan der Republikaner durchkreuzen. Deshalb soll seine Vor-Wahl-Regierung es möglichst allen recht machen. Die Hälfte der Mannschaft besteht aus politischen Novizen - als Zeichen der Erneuerung. Rein zahlenmäßig herrscht Gleichberechtigung zwischen elf Männern und elf Frauen (wenngleich die Kerle wieder mehr Machtposten bekamen). Und auf den ersten Blick gelang Macron auch politisch ein Balanceakt: Der Präsident, der keine Parteien mehr kennen möchte, hat moderate Sozialisten, Zentristen und gemäßigte Republikaner an den Kabinettstisch berufen. Wobei der zweite Blick zeigt: Die drei Republikaner - Premier Édouard Philippe, Wirtschaftsminister Bruno Le Maire und sein Budgetkollege Gérald Darmanin - sind die Herren über Ökonomie und Finanzen.

Das ist kein Zufall. Macron will sich und seine Truppe im Wahlkampf unangreifbar machen. Seine drei Musketiere sollen anfechten gegen Vorhaltungen, sein Wirtschaftsprogramm sei zu lau, seine Sparpläne ungenügend. Ob diese Taktik aufgeht und ihm eine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung beschert, das wird Macron - wie alle Franzosen - erst am sehr späten Wahlabend des 18. Juni erfahren.

Schon heute klar ist, dass Macron mit hohem Risiko spielt. Das dreifach rechte Profil seiner Wirtschaftspolitik mag ihm helfen, drinnen im Saal der Nationalversammlung eine Mehrheit zu erobern. Aber es erschwert den Kampf draußen auf der Straße. Schon jetzt schimpfen die linksradikalen "Unbeugsamen", Macron habe "eine Regierung der Rechten". Wenn im Juli dann wie geplant die marktorientierten Reformen von Kündigungsschutz und 35-Stunden-Woche beginnen, werden die Gewerkschaften mit Streiks und Blockaden gegen die "ultraliberale Politik der Rechten" marschieren. Macron kämpft an allen Fronten. Was ihn im Frühling stärkt, kann ihn im heißen Sommer schwächen.

© SZ vom 19.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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