Frankreich:Hollande will Massenprotesten trotzen

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Frankreichs Präsident steht vor einer heiklen Woche: Täglich sind Demonstrationen gegen seine Reformpolitik geplant.

Von Christian Wernicke, Paris

Mit neuen Streiks, Demonstrationen und Straßensperren versuchen Frankreichs linke Gewerkschaften diese Woche, die sozialistische Regierung in die Knie zu zwingen. Aus Protest gegen die geplante Reform des Arbeitsrechts, die eine Lockerung des Kündigungsschutzes und der 35-Stunden-Woche vorsieht, blockierten am Dienstag LKW-Fahrer zahlreiche Landstraßen. Seit dem Abend fielen vor allem im Nahverkehr mehr als die Hälfte aller Züge aus, weil Tausende Eisenbahner in den Ausstand traten. In Paris und anderen Großstädten demonstrierten Zehntausende. Präsident François Hollande schloss Konzessionen aus: "Dieses Gesetz wird durchkommen, ich werde nicht nachgeben", sagte er dem Radiosender "Europe1".

Die Regierung hatte vorige Woche ihren umstrittenen Gesetzentwurf nur mit Not in erster Lesung durchs Parlament gebracht. Angesichts massiver Widerstände vom linken Flügel seiner eigenen Partei hatte Premierminister Manuel Valls eine Sonderklausel der Verfassung genutzt, um eine Abstimmung zu umgehen. Diese Vorgehensweise löste prompt eine neue Protestwelle der Reformgegner aus: Allen voran die linken Gewerkschaften CGT und FO riefen für Dienstag und Donnerstag zu weiteren Demonstrationen auf.

Die Streikaktionen kommen einer Machtprobe mit der Regierung gleich. Die Gewerkschaften wollen bis Donnerstag nicht nur Straßenverkehr und Bahnen lahmlegen. Auch Mitarbeiter von Häfen und Flughäfen sollen zeitweise die Arbeit niederlegen. Die an Straßenblockaden beteiligten Lkw-Fahrer argumentieren, das geplante Gesetz werde ihre Zuschläge für Überstunden am Steuer und somit ihr Einkommen drastisch mindern. Laut Umfragen lehnen drei von vier Franzosen die geplante Reform zwar ab. Die Zahl der Teilnehmer an den seit Anfang März währenden Protest war zuletzt jedoch gesunken: Nach 390 000 Demonstranten Ende März waren vorige Woche nur noch 55 000 Menschen gegen die Reform marschiert. Regierung und Präsidenten setzen offenbar darauf, dass der Widerstand ermüdet.

Allerdings eskalierte der Protest, weil sich in Paris, Rennes und Nantes Hunderte Gewalttäter unter die Demonstranten mischten. In einem Fall ermittelt der Staatsanwalt sogar wegen versuchten Mordes an einem Polizisten. Am Dienstag ging die Polizei erneut mit Tränengas gegen Steinewerfer vor. Die Regierung hatte zehn mutmaßlichen Randalierern die Teilnahme an den Demonstrationen untersagt und sich auf Sonderregeln des seit den Terroranschlägen vom November geltenden Ausnahmezustandes berufen. In neun Fällen erklärte ein Gericht die Verbote jedoch für unrechtmäßig. Für Mittwoch hat eine Polizeigewerkschaft zu einer Demonstration aufgerufen - aus Empörung über die Gewaltakte gegen die Ordnungskräfte.

Hollande, der im März seine Reform nach Protesten entschärft hatte, klang am Dienstag entschlossener denn je: "Ich möchte als ein Präsident in Erinnerung bleiben, der auch unpopuläre Reformen angegangen ist - lieber als ein Präsident der nichts getan hat." Bis Dezember will Hollande entscheiden, ob er sich 2017 zur Wiederwahl stellt.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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