Frankreich:Frischzellenkur für Hollandes Kabinett

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Ex-Premier Ayrault wird Außenminister, eine grüne "Reala" übernimmt den Wohnungsbau.

Von Christian Wernicke, Paris

Die Mission des François Hollande schien so unmöglich wie die berüchtigte Quadratur des Kreises: "Kontinuität wahren" und doch zugleich "die Linke vereinen" - das, so hatten Vertraute von Frankreich Präsidenten vorab erklärt, sei das doppelte Ziel der geplanten Regierungsumbildung. Also "Weiter so", und doch - nur 14 Monate vor den Präsidentschaftswahlen - auf zu neuer Morgenröte? Hollande, der politische Tüftler, hat auf seine Art die Lösung gefunden: Er erneuert mit altbekannten Gesichter, die auch der Linken gefallen.

Das sei "Kohärenz", um "zu handeln und voranzukommen", erläuterte das Staatsoberhaupt abends im TV-Interview.

"Aus alt mach' neu" - das Paradebeispiel für des Präsidenten Methode ist der künftige Außenminister Jean-Marc Ayrault. Der Mann mit dem grauen Scheitel nämlich hatte Hollande bereits von Mai 2012 bis März 2014 als Premierminister treue Dienste geleistet hatte. Nun kommt er wieder, darf als Erbe von Laurent Fabius das Ministerium am Quai d'Orsay übernehmen. Der Pro-Europäer, ein so profunder Kenner wie Freund der Deutschen, ist loyal, erfahren, solide. Und er pflegt auch gute Drähte zur Linken: Seit seiner Entlassung vor 22 Monaten hatte der 66-jährige Sozialist mehrfach Vorschläge für eine progressivere, also "linke" Steuerpolitik präsentiert. Auch im Streit um Hollandes Plan, per Verfassungsänderung künftig die Ausbürgerung verurteilter Terroristen zu ermöglichen, hatte er linke Flagge gezeigt: Über Twitter mahnte Ayrault seinen Nachfolger Manuel Valls, die Nation nicht zu spalten.

Premier Valls musste die Rückkehr seines Vorgängers und Widersachers hinnehmen. Beiden Männern wird ein zutiefst zerrüttetes Verhältnis nachgesagt. Verprellt hat Hollande zudem Ségolène Royal, seine frühere Lebensgefährtin. Royal träumte vom Außenministerium, Pariser Gerüchte wähnten sie bereits auf dem Sprung ins Quai d'Orsay. Nun muss Royal doch im Umweltministerium bleiben. Als Trostpreis sprach ihr Hollande zwar die neue Kompetenz zu, nach Abschluss der Pariser "COP21" nun alle Weltklima-Fragen zu verwalten. Nur, wie gewonnen, so zerronnen: Dieses Dossier soll Barbara Pompili übernehmen, die neue Staatssekretärin aus den Reihen der Grünen.

Das Stühlerücken im Kabinett bedeutet keine fundamentale Neuorientierung

Das ist die zweite Variante der Methode Hollande: Er holt sich, mit neuen Gesichtern, einen alten Regierungspartner zurück: Gleich drei "Realos" von Frankreichs heillos zerstrittenen Grünen treten ins Kabinett ein. Schon von Frühjahr 2012 bis April 2014 hatten Vertreter der Öko-Partei der Regierung angehört. Als der rechte Sozialdemokrat Valls Premier wurde, waren sie fast angewidert ausgeschieden.

Nun holt sich Hollande die Grünen zurück. Emmanuelle Cosse, die bisherige Parteisekretärin der Grünen, wird Ministerin für Wohnungsbau. Und der grüne Senator Jean-Vincent Placé zieht sogar in einen Flügel des Hôtel Matignon, des den Amtssitz des Premierministers - als Staatssekretär für Staatsreform und Verwaltungsvereinfachung. Als Belohnung, so bestätigte Hollande, bekommen die Grünen ein "lokales Referendum" über den Neubau eines umstrittenen Regionalflughafens bei Nantes. Die Schlichtung über "Stuttgart 21" sei das Muster für diesen Kompromiss, sagte Hollande. So sendet sein letztes Aufgebot nun kleine Signale linker Versöhnung aus. Das Stühlerücken im Kabinett bedeutet keine fundamentale Neuorientierung. Allenfalls sind dies Zeichen neuer Offenheit - mit der wahrscheinlichen Folge erhöhter Reibung im Innern. Und viele bleiben: Finanzminister Michel Sapin leitet weiterhin das Finanzressort. Emmanuel Macron, der als populärstes Kabinettsmitglied an sozialistischen Tabus wie der 35-Stunden-Woche rüttelt, bleibt Wirtschaftsminister. Auch Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian verharrt auf seinem Posten - obwohl er jüngst zum Präsidenten seiner Heimatregion Bretagne gewählt worden war. Hollande wollte solcherlei Ämterhäufung eigentlich abschaffen, aber für Le Drianschnitzt der Präsident eine Ausnahme. Es gab auch eine Verliererin an diesem Donnerstag: Fleur Pellerin, die unterkühlte Kulturministerin, muss gehen und ihren Platz der weitgehend unbekannten Élyséeberaterin Audrey Azoulay überlassen. Oder Marylise Lebranchu, die allzeit getreue Ministerin für Dezentralisierung.

Ausgedient vor dem letzten Gefecht. Einen Rückschlag von Linksaußen erhielt Hollande Wiederwahl-Strategie dennoch. Jean-Luc Mélenchon, altsozialistischer Volkstribun, kündigte am Mittwochabend an, er wolle als Kandidat des "widerspenstigen Frankreichs" im Jahr 2017 bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Mélenchon hatte bei den Wahlen 2012 mehr als elf Prozent der Stimmen erreicht. Sollte er dies erneut schaffen, würde er wohl Hollandes Traum von einer zweiten Amtszeit bereits im ersten Wahlgang scheitern lassen.

Comeback: Frankreichs Ex-Premier Jean-Marc Ayrault wird Außenminister. (Foto: Yoan Valat/dpa)
© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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