Frankreich:François der Kühne

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In der Wahrnehmung vieler EU-Beobachter war es François Hollande, der beim Euro-Krisengipfel über Griechenland die entscheidende Rolle spielte. (Foto: Alain Jocard/AFP)

Nach dem Euro-Gipfel und nach den Iran-Verhandlungen: Präsident Hollande versucht, sein Image zu polieren.

Von Christian Wernicke, Paris

Es klang in der Tat kühn, was François Hollande da über sich selbst preisgab. Fast verwegen sogar. Und so völlig anders als jene Schlagwörter, mit denen die Franzosen ihr Staatsoberhaupt gewöhnlich beschreiben. Sicher, der Mann im Élysée ist vielen zwar noch immer persönlich "sympathisch". Aber nur jeder Fünfte mag ihm Adjektive wie "dynamisch" oder "charismatisch" zubilligen. Nun aber erfährt die Nation: Der Sozialist nimmt sich selbst ganz anders wahr - als "kühn" nämlich. Gleich zweimal binnen weniger Minuten hat sich François der Kühne geoutet. Während des traditionellen Fernsehinterviews am Nationalfeiertag verteidigte er seinen Reformkurs - und er versicherte, bei Entscheidungen zur wirtschaftlichen Erneuerung Frankreichs habe er "immer die kühnste Wahl" getroffen. Das ist, vorsichtig formuliert, nicht die in Frankreich vorherrschende Deutung für Hollandes meist bedächtigen Kurs. Aber der Präsident ging noch weiter. Er wurde persönlich - und forderte die Journalisten mit einer mutigen Anmerkung heraus: "Ich hoffe, Sie kennen noch andere Präsidenten, die so kühn sind wie ich."

Der Zweck dieses kommunikativen Manövers ist recht durchsichtig. Hollande will die Gunst der Stunde nutzen: In der Wahrnehmung nicht nur der Franzosen, sondern auch vieler EU-Beobachter war er es, der beim Euro-Krisengipfel die entscheidende Rolle spielte. Unmittelbar davor hatten noch 44 Prozent der Franzosen erklärt, sie hätten eher Vertrauen in Angela Merkel (Vergleichswert Hollande: 24 Prozent). Nun sonnt sich der Präsident im ungewohnten Glanz. "Ich sage nicht, dass Frankreich gewonnen hat", sagt er lächelnd, "Europa hat gewonnen! Frankreich hat dabei seine Rolle wahrgenommen."

Hollande gibt nicht nur den Staatsmann, sondern auch den Beschützer der Nation. In der Euro-Krise hat er verhindert, dass die Währung zerfällt. Hinzu kommt der Erfolg eines Atomabkommens mit Iran. Hollande beteuert: "Frankreich ist in diesen Verhandlungen sehr hart gewesen." Überall, wo Gefahr für die Nation lauert, sieht sich der Präsident an der Front. Auch daheim: Im Kampf gegen den Terror. Von den 30 000 Polizisten, Gendarmen und Soldaten, die überall im Land patrouillieren, will er in diesem Jahr keinen einzigen abziehen: "Das geht weiter, wir geben nicht nach." Der Mann weiß sehr wohl, dass auch seine jüngsten Erfolge nicht genügen, jene Umfragewerte zu korrigieren, die ihn als unpopulärsten Präsidenten der V. Republik ausweisen. Dazu müsste die Zahl der Arbeitslosen sinken. Aber Hollande möchte, 22 Monate vor der Präsidentschaftswahl, sein Image polieren. Also spricht er nun "von Dingen, die größer sind als wir selbst - dem Vaterland". Und davon, dass er "als Präsident Frankreich helfen will, seine Seele zu bewahren".

Das Wort von der "Seele" dürfte künftig häufig auftauchen, es ist die halblinke, wärmere Vokabel, mit der er auf den Kampfbegriff der Rechten antworten will, die täglich um "die Identität" Frankreichs bangt. Am Mittwoch verbuchte er in Paris den nächsten Erfolg. Die Nationalversammlung billigte mit großer Mehrheit (412 Ja, 69 Nein) das dritte Hilfspaket für Griechenland. Sozialisten, Liberale und Konservative stimmten zu.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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