Frankreich:Ein halbes Dutzend gegen Hollande

Lesezeit: 3 min

Frankreichs regierende Sozialisten leiden seit Jahren an Schwindsucht. An Kandidaten für die Präsidentschaft mangelt es ihnen dafür nicht: Sechs Parteilinke wollen den Präsidenten verdrängen.

Von Christian Wernicke, Paris

Frankreichs Sozialisten haben seit mehr als vier Jahren die Macht im Staat. Noch. Ihre Partei, der "parti socialiste" (PS), schwächelt längst: Fast die Hälfte der einst 170 000 Mitglieder hat die Partei verloren, seit Genosse François Hollande 2012 in den Élysée-Palast eingezogen ist. In Umfragen bekundet nicht mal mehr jeder vierte Franzose, er wolle im Wahljahr 2017 für die Sozis votieren. Nur ein Trend widerspricht der sozialistischen Schwindsucht: Stetig wächst die Zahl derer, die im Frühjahr nächsten Jahres im Zeichen der nunmehr welkenden Rose das Präsidentenamt ergattern wollen.

Der nächste Kandidat wird sich am Sonntag erklären. Dann lädt Arnaud Montebourg, bis Sommer 2014 schillernder Wirtschaftsminister und seither lautstarker Hollande-Kritiker, mehr als tausend Gesinnungsfreunde zu einer Art rotem Weinfest nach Frangy-en-Brasse, einem kleinen Ort im Burgund. Eineinhalb Stunden lang, so tuscheln seine Berater, wolle Montebourg reden. Mindestens. Bisher hat sich der 53-jährige Linksnationalist nur als Kritiker der Globalisierung und Euroskeptiker profiliert. Um "présidentiable", also reif fürs Präsidentenamt zu wirken, wolle Montebourg diesmal einen weitaus größeren Bogen spannen: der Zustand der Welt, die Lage der Nation, der Terror - alles muss vorkommen. Montebourg will bestehen, was man den "Roten-Knopf-Test" nennen könnte: Nach seiner Sonntagsrede, so hat ein Montebourg-Vertrauter der Zeitung Le Monde anvertraut, sollten ihm mehr Franzosen als bisher zutrauen, die Befehlsgewalt über Frankreichs Atombomben ausüben zu können.

Mit Montebourg wäre das halbe Dutzend voll. Fünf Linke - drei PS-Mitglieder sowie zwei Grüne - haben sich bereits eingeschrieben in die Kandidatenliste für die linke Vorwahl, die einen einzigen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im April küren soll. So hat es der Präsident gewollt. François Hollande hofft, mit der "Primaire de la Gauche" seine so zerschlissene wie zerstrittene Partei irgendwie zu einen. Nur dann nämlich hätte die Linke eine wenigstens kleine Chance, 2017 in den zweiten Wahlgang zu gelangen. Ob der Amtsinhaber selbst nochmals antritt, das lässt Hollande vorerst offen. "Lust habe ich", räumt er in einem neuen Interview-Buch ein. Aber der Job sei "hart - härter, als ich gedacht hatte". Er spürt, dass seine Untertanen "etwas Neues" wollen, aber er gibt nicht auf: "Vielleicht das Neue mit demselben. Das Neue mit dem Alten - warum nicht?"

Das sehen seine potenziellen Nachfahren selbstverständlich anders. Auf seine Art hat das bereits im Juni Gérard Filoche artikuliert, so etwas wie der polternde Prolet unter den sechs linken Anwärtern: "Gegen Hollande würde doch jedes Schaf gewinnen." Benoît Hamon, PS-Linker und Ex-Erziehungsminister (immerhin für einige Monate im Jahr 2014), drückt sich gewählter aus, meint aber dasselbe: "Ich denke, es ist heute zu spät für ihn." Hollande sei "kein guter Kandidat", weil er "nicht einmal versucht hat, linke Politik zu machen". Die jüngsten Reformen der Regierung etwa zur Lockerung des Arbeitsrechts hat Hamon bis aufs Messer bekämpft, als Präsident würde er "diese neoliberale Politik" sofort zurückdrehen. Obendrein möchte er eine neue Ordnung ausrufen: Die V. Republik mit ihrem übermächtigen Präsidenten hält er für "undemokratisch". Hamon will mehr Demokratie wagen - und eine andere, eher parlamentarische VI. Republik begründen.

Arnaud Montebourg redet sehr ähnlich. Überhaupt plagt die beiden linken Ex-Minister das Problem, dass ihre Positionen zu nahe beieinander liegen. Genau deshalb hatten Hollande und sein sozialdemokratischer Premier Manuel Valls die beiden Links-Abweichler ja 2014 aus dem Kabinett geworfen. Beide zählen zu jenem PS-Flügel, den Valls gern als "ewige Opposition" und "unfähig zum Regieren" verspottet. Allerdings haben die beiden PS-Dissidenten unterschiedliche Ziele: Hamon will mit seiner Kandidatur nur seine Chancen mehren, in der 2017 wohl nahenden Post-Hollande-Ära den Parteivorsitz zu erobern. Montebourg hingegen glaubt allen Ernstes, er habe das Zeug zum Präsidenten.

Die rechten Linken in der Regierung tun Montebourg mit einem Lächeln ab. Nur: Die Lage auf diesem PS-Flügel ist auch nicht besser. Um dessen geistige Führung buhlen der Sozialdemokrat Valls und der sozialliberale Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Sollte Hollande im Dezember auf eine Kandidatur verzichten: Der PS hätte gleich noch zwei Kandidaten mehr.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: