Frankreich:Die Züge stehen still

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Zu den bisherigen Protestaktionen und Ausständen kommen Streiks der Bahnmitarbeiter. Sie drohen, ihren Arbeitskampf möglicherweise auch noch bis zur Fußball-Europameisterschaft auszudehnen.

In Frankreich haben streikende Bahnarbeiter große Teile des Zugverkehrs lahmgelegt. Die Hälfte aller Züge blieb in den Depots, wie die staatliche Betreibergesellschaft SNCF am Mittwoch mitteilte. Demnach verkehrte nur gut die Hälfte der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge und ein Drittel anderer Intercity-Verbindungen sowie die Hälfte der Regionalbahnen. Betroffen waren auch mehr als 50 Prozent der Züge nach Spanien und Italien sowie die Zubringer zum Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Die Eurostar-Züge durch den Kanaltunnel nach Großbritannien blieben von den Arbeitsniederlegungen unberührt, ebenso wie 75 Prozent der Bahnverbindungen nach Belgien, in die Niederlande und in die Schweiz.

Die Streiks richten sich gegen eine Ausweitung von Arbeitszeiten im Rahmen einer geplanten Umorganisation der hoch defizitären Staatsbahn, die sich von 2020 an auf private Konkurrenz im Personenverkehr einstellen muss.

In Frankreich gibt es seit Wochen außerdem Protestaktionen gegen die umstrittene Arbeitsmarktreform der sozialistischen Regierung. Gewerkschaften haben dabei auch Häfen, Straßen Treibstofflager und Raffinerien blockiert, jede fünfte Tankstelle hat kaum noch Benzin. Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls wollen unter anderem betriebsbedingte Kündigungen erleichtern und so die Hürde für Neueinstellungen senken, um die hohe Arbeitslosigkeit zu drücken. Doch ist die Gegenfront unter den Gewerkschaften keineswegs geschlossen. Während die gemäßigte Gewerkschaft CFDT die Pläne der Regierung unter Verweis auf Vorteile auch für Arbeitnehmer unterstützt, geht die radikalere CGT dagegen auf die Barrikaden. Wie auch die kleinere Gewerkschaft FO drohte sie, die Streiks auf die am 10. Juni beginnende Fußball-Europameisterschaft auszudehnen.

Nur acht bis elf Prozent der Arbeitnehmer in Frankreich sind in Gewerkschaften organisiert. Der Einfluss der Gewerkschaften ist dennoch unter anderem deshalb so groß, weil sie auch für Nicht-Mitglieder die Gehälter aushandeln. Zudem sind die Gewerkschaften über die Wahlen der Arbeitnehmervertretungen fest in Unternehmen verankert. Die CGT ist traditionell mit der Kommunistischen Partei verbunden und setzt auf ihre Meriten vom Mai 1968, als massive Streiks fast die Regierung zu Fall brachten.

© SZ vom 02.06.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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