Frankreich:Der Zauberer des Monsieur Fillon

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Patrick Stefanini war in seiner Karriere Präfekt, Staatsrat, Parteipolitiker und Schattenminister. Vor allem aber glänzte er als Stratege. (Foto: Patrick Kovarik/AFP)

Der altgediente Wahlkampf-Stratege Patrick Stefanini bescherte dem Präsidentschaftskandidaten der Konservativen den Sieg.

Von Christian Wernicke, Paris

Ein Telefonat hätte genügt, damals, im Sommer anno 2012. "Aber", so hat Patrick Stefanini kürzlich im Kreis von Vertrauten noch einmal erzählt, "Alain Juppé hat nie angerufen." So ist dann alles anders gekommen: Vor fast vier Jahren kam François Fillon auf Stefanini zu, wollte den Wahlkampfstrategen anheuern: als Kampagnen-Chef für einen langen Marsch bis zum 7. Mai 2017, dem Tag der Präsidentschaftswahl. Stefanini schwört, er habe seinen Mentor und Freund Juppé zunächst um Erlaubnis gefragt. Juppé gab grünes Licht - und machte vielleicht jenen Fehler, der ihn vorigen Sonntag um seinen Traum vom höchsten Staatsamt brachte: Fillon, nicht Juppé, wurde per Vorwahl zum Spitzenkandidaten der Rechten gekürt.

Ohne Patrick Stefanini, so versichern Insider, hätte François Fillon diesen Triumph wohl nicht vollbracht. Der 63-Jährige Mann mit der Glatze und der randlosen Brille gilt vielen Republikanern als "Zauberer", als einer, der "jeden blassen Kandidaten in einen Helden verwandeln kann". Als Stefaninis Meisterstück gilt, wie er es vor gut zwanzig Jahren fertigbrachte, den geschlagen geglaubten Jacques Chirac neu aufzubauen und bei der Präsidentschaftswahl 1995 den parteiinternen Widersacher Edouard Balladur auszuschalten. Ohne Stefanini, so der Mythos in der Partei, wäre Chirac nie zum ersten Mann im Staat aufgestiegen. Was Wunder also, dass Fillon Stefanini nun am Dienstag in die Generaldirektion der Republikaner beförderte.

Allein die Tatsache, dass der Spitzenbeamte sein Wahlkampfmanager war, soll bewirkt haben, dass Fillons Verbündete in den Monaten magerster Umfragewerte nicht scharenweise fahnenflüchtig wurden und zu Konkurrenten überliefen. Stefanini riet Fillon, vor allem auf die katholische Basis der konservativen Republikaner zu zielen: auf die Wähler über 50, auf Wohlhabende und Gebildete. Die gehen verlässlich zur "Primaire" - und haben, so beweisen Analysen, treu Fillon gewählt.

Der Stratege kennt die Milieus der rechten Wählerschaft genau

Zwei Ideen von Stefanini waren für diesen Rückhalt entscheidend: Im Frühsommer 2015 organisierte der Stratege ein Treffen in Paris, bei dem sich Fillon vor 2000 Katholiken als Verteidiger der von islamischen Terrormilizen bedrohten Christen im Orient profilierte. Das schuf die Basis, verschaffte Fillon Zugang zu katholischen Aktivisten, die 2013 die Homo-Ehe mit Massendemonstration bekämpften. Und im September 2016 gelang es ihm, die erzkonservative Organisation "Sens Commun", die 9000 eifrige Mitglieder aus den Reihen der Gegner der Homo-Ehe zählt, für den Kandidaten zu gewinnen.

Stefanini kennt dieses Milieu, wie alle anderen Klubs und Strömungen der Rechten. Der Absolvent von Frankreichs Elitehochschule ENA diente dem Staat überall, ob als Präfekt in der Gironde (im Bündnis mit Alain Juppé als Bürgermeister) oder beim Staatsrat in Paris. Zwischendrin wechselte der hohe Funktionär aber immer wieder in den Apparat der Gaullisten, um Parteipolitik zu machen. Das brachte ihm, wegen illegaler Finanztricks unter Chirac, eine Vorstrafe von zehn Monaten (auf Bewährung) ein. Bisweilen waren die Grenzen zwischen Partei- und Staatsdienst nur schwer auszumachen: Unter Sarkozy dirigierte Stefanini als Generalsekretär das umstrittene "Ministerium für Immigration, Integration und Nationale Identität". Der hagere Beamte steuerte einen harten Kurs gegenüber Migranten - und galt als heimlicher Minister. Diese Erfahrung dürfte Stefanini nun helfen, den Kurs seines Kandidaten vorsichtig zu korrigieren. Fillon errang zwar einen Kantersieg - aber bisher fehlt ihm Rückhalt in der Arbeiterschaft und bei kleinen Angestellten. Die würden, so warnt bereits der rechte Vordenker und frühere Sarkozy-Berater Patrick Buisson, im Mai 2017 stramm Front National wählen, "als Kandidat der wilden Globalisierung" präsentiere. Stefaninis Erfahrung in der Formulierung einer drakonischen Ausländerpolitik könnte helfen, Le Pen auf andere Weise Wähler abzujagen.

Fillon vertraut auf Stefanini, der Stratege gilt als Perfektionist: Selbst in kleinste Wahlkampfdetails mischt er sich ein. Nur sich selbst weiß dieser Zauberer offenbar nicht zu helfen: Viermal kandidierte der Schattenmann selbst bei Wahlen - und fiel viermal durch.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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