Frankreich:Der dritte Mörder

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Die Polizei hat nun alle Attentäter identifiziert, die im Pariser Bataclan 90 Menschen getötet haben. Auch der 23 Jahre alte Foued Mohamed-Aggad stammte aus Frankreich und kämpfte in Syrien.

Von Leo Klimm, Paris

Knapp einen Monat nach den islamistischen Anschlägen von Paris hat die französische Polizei alle drei Mitglieder des Terrorkommandos identifiziert, das in der Konzerthalle Bataclan 90 Menschen ermordet hat. Bei dem dritten, bisher nicht bekannten Bataclan-Attentäter handelt es sich um Foued Mohamed-Aggad aus dem elsässischen Wissembourg, einer Kleinstadt direkt an der Grenze zu Deutschland. Mohamed-Aggad, zum Zeitpunkt der Attacke 23 Jahre alt, hat mit seinen Komplizen am Abend des 13. November mit Kalaschnikows ein Rockkonzert überfallen. Als die Polizei das Gebäude stürmte, sprengte er sich in die Luft - was anschließend die Identifizierung erschwerte. Sie gelang jetzt durch den Abgleich von DNA-Spuren aus Mohamed-Aggads Leichenteilen mit dem Erbgut seiner Mutter. Entsprechende Informationen französischer Medien wurden aus Ermittlerkreisen bestätigt.

Die Polizei geht derzeit davon aus, dass insgesamt zehn Terroristen direkt an den Anschlägen vom 13. November beteiligt waren. Mit Mohamed-Aggad ist die Identität von sieben von ihnen zweifelsfrei geklärt. Die Attentäter verteilten sich auf drei Terrorkommandos, die zusammengenommen 130 Menschen töteten und 350 verletzten. Die meisten Opfer verursachte das Trio um Mohamed-Aggad.

Der Terrorist aus dem Elsass weist ein ähnliches Täterprofil auf wie andere der Attentäter. Auch bei ihm handelte es sich um einen radikalisierten Islamisten, der sich vor den Anschlägen dem sogenannten Islamischen Staat in Syrien angeschlossen hatte. Wie mehrere Mittäter stammte Mohamed-Aggad aus einer nordafrikanischen Einwandererfamilie. Über Verbindungen zur Islamistenszene im belgischen Molenbeek wurde in seinem Fall nichts bekannt.

Blumen für die Opfer: Im Bataclan in Paris sind am 13. November 90 Menschen gestorben. (Foto: Yoan Valat/dpa)

Dennoch gehörte auch Mohamed-Aggad zu einer Gruppe, die schon im Visier der Polizei stand: Er zählte zu einer Clique radikaler junger Männer, die Ende 2013 vom Straßburger Stadtteil Meinau aus über Frankfurt und die Türkei ins syrische Kriegsgebiet reisten. Zwei der Männer kamen kurz darauf bei Kämpfen um. Sieben weitere - darunter ein älterer Bruder Mohamed-Aggads - kehrten im März 2014 zurück nach Straßburg und wurden wenige Wochen später festgenommen. Derzeit warten sie in Haft auf ihren Strafprozess wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung.

Nur einer aus der elsässischen Gruppe blieb zunächst in Syrien: der spätere Attentäter Foued Mohamed-Aggad, über den der französische Staatsschutz bereits eine Akte führte. Seine Mutter soll ihm der Zeitung Le Parisien zufolge in den Monaten vor den Anschlägen Geld geschickt haben, um eine Rückreise nach Europa zu ermöglichen. Nach den Attentaten soll sie sich freiwillig zum DNA-Abgleich gemeldet haben. Sie hatte Ende November eine Textnachricht von Mohamed-Aggads Frau aus Syrien erhalten: "Dein Sohn ist als Märtyrer mit seinen Glaubensbrüdern am 13. November gestorben." So berichtete es die Anwältin der Familie. Demnach hatte Mohamed-Aggad seinen Selbstmordanschlag angekündigt - allerdings im Irak.

Die Attacke im Bataclan verübte Mohamed-Aggad zusammen mit Omar Ismaël Mostefaï und Samy Amimour. Beide stammten aus Pariser Vorstädten.

Auch sie waren Syrien-Heimkehrer. Gegen Amimour wurde wegen Terrorverdachts ermittelt, bis er 2013 nach Syrien floh. Neben dem Terror-Trio vom Bataclan mordeten am 13. November zwei weitere Kommandos: Eine dreiköpfige Gruppe erschoss Gäste in Bars und Restaurants. Zu dieser Gruppe gehörte der Belgier Abdelhamid Abaaoud, der als Drahtzieher der Anschläge gilt. Er wurde am 18. November durch Spezialkräfte der Polizei in der Nähe von Paris getötet. Das dritte Kommando bildeten jene drei Selbstmordattentäter, die sich während eines Fußballspiels zwischen Frankreich und Deutschland neben dem Stadion in die Luft sprengten. Von zweien weiß die Staatsanwaltschaft bisher nur, dass sie aus Syrien nach Europa eingereist sind. Sie hatten sich unter den Strom der Flüchtlinge gemischt, Anfang Oktober waren ihre Fingerabdrücke auf der griechischen Insel Leros registriert worden. Die syrischen Pässe, die sie bei den Attentaten bei sich trugen, waren offenbar gefälscht. Noch immer auf der Flucht ist der 26-jährige Franzose Salah Abdeslam. Er soll die Terroristen am Stadion abgesetzt haben. Wahrscheinlich sollte auch er sich eigentlich mit einem Sprengstoffgürtel umbringen und dabei andere mit in den Tod reißen. Stattdessen ließ sich Abdeslam noch in der Mordnacht von zwei Freunden aus Paris nach Belgien bringen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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