Frankreich:Der Ältere gibt nach

Lesezeit: 2 min

Enge Bande: Großvater und Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen mit seiner Enkeltochter Marion Marchéal-Le Pen. (Foto: Eric Gaillard/Reuters)

Anstelle des Front-National Gründers Jean-Marie Le Pen tritt nun seine Enkelin Marion bei der Regionalwahl als Kandidatin an. Sie ist 25 Jahre alt.

Von Christian Wernicke, Paris

Wenn Vater und Tochter sich streiten, kandidiert eine Dritte - die Enkelin respektive Nichte Marion Maréchal Le Pen. Auf diesen Kompromiss im Familiendrama von Frankreichs Front National haben sich Jean-Marie Le Pen, Gründervater und Ehrenpräsident, und Marine Le Pen, die Vorsitzende der rechtsextremen Partei, verständigt. Die erst 25 Jahre alte Maréchal Le Pen, die derzeit als eine von nur zwei FN-Abgeordneten in der Nationalversammlung sitzt, soll anstelle ihres Großvaters bei den Regionalwahlen im Dezember die Spitzenkandidatur im Südosten Frankreichs - einer Hochburg des FN - übernehmen. Der Rückzieher des Patriarchen entschärft vorerst den innerfamiliären Konflikt um den Kurs der Partei.

Marion Maréchal Le Pen gilt als Vertreterin des katholisch-klerikalen Flügels der Partei und als getreue Schülerin ihres Großvaters: "Er war es, der mich in die Politik gebracht hat", erzählt die jüngste Prominente des rechtsextremen Polit-Clans, "ich bewundere ihn." Anders als ihre Tante Marine demonstrierte Maréchal Le Pen gegen die Legalisierung der Homo-Ehe. Die blonde, schlanke Frau zählt zu den Lieblingen der Partei: Bei der Urwahl zum FN-Zentralkomitee im November vorigen Jahres erzielte die erste Vertreterin der dritten Le-Pen-Generation das beste Ergebnis.

Maréchals politische Heimat ist das Département Vaucluse. Die Gegend um die historischen Städte Orange, Avignon und Carpentras beschert dem FN seit drei Jahrzehnten stets überdurchschnittlich hohe Resultate, und sie gehört zu jener Region "Provence-Alpes-Côte d'Azur" (PACA), in der sich Großvater Jean-Marie Le Pen im Dezember um das Amt des Regionalpräsidenten bewerben wollte. Bei den Europawahlen 2014 hatte der FN in dieser Region mit 33 Prozent der Stimmen sein landesweit zweitbestes Ergebnis erzielt. Nach des Vaters rechtsradikalen Ausfällen etwa über die Gaskammern der Nazis ("Detail der Geschichte") hatte Tochter Le Pen ihm jedoch per Fernsehinterview die Kandidatur entzogen. Kurzzeitig erwog der sture Alte offenbar sogar eine Kampfliste gegen den FN.

Am Montag ließ der FN-Gründer zwar erneut wissen, dass er sich selbst "für den besten Kandidaten" und "eine gute Lokomotive" in der Region hält. Der FN-Führung und Tochter hielt er vor, mit ihrem "Getöse" um seine Einlassungen dem FN zu schaden. Weil er aber nicht teilnehmen wolle "am Manöver einer Schwächung unserer Bewegung", verzichte er nun. Als Bedingung forderte der FN-Gründer jedoch, die Partei solle seine ihm ideologisch wie persönlich getreue Enkelin zur Spitzenkandidatin küren. Noch im November vorigen Jahres hatte Le Pen geäußert, der jungen Maréchal Le Pen fehle für diesen Posten die nötige Erfahrung. Das Amt des regionalen Parteichefs will Le Pen dem Europaabgeordneten Bruno Gollnisch zuschanzen, einem der wenigen FN-Politiker, der bis zuletzt die Einlassungen Le Pens verteidigt hatte. Florian Philippot, einer der engsten Vertrauten von Parteichefin Marine Le Pen, erklärte am Montag, des Vaters Vorstoß sei "eine sehr weise Entscheidung".

Mittel- und langfristig könnte jedoch ausgerechnet Philippot, FN-Vizepräsident und Vordenker, zu den Verlierern der Parteikrise zählen. Philippot, Absolvent der Eliteschule ENA und als Homosexueller für viele FN-Mitglieder eh ein Fremdkörper in der Parteiführung, ist der führende Vertreter der streng nationalistischen, von linken Forderungen nach Protektionismus und Staatseingriffen durchsetzten Wirtschaftsstrategie des FN. Mit populistischen Forderungen etwa zur Rückkehr einer Verrentung mit 60 Jahren, einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 1500 Euro oder dem Austritt aus dem Euro versucht der glühende Verehrer von General Charles de Gaulle, vermehrt linke Wähler aus der Arbeiterschaft und unter Frankreichs Arbeitslosen an den FN zu binden.

In der jüngsten Auseinandersetzung hatte sich FN-Gründer Jean-Marie Le Pen mehrmals abfällig über Philippot und dessen Kurs für einen "neuen FN" geäußert. Dies blieb im Streit um Le Pens antisemitische Provokationen weitgehend unbemerkt. Marion Maréchal Le Pen teilt des Großvaters Kritik an Philippots Kurs. In gesellschaftlichen Fragen ist sie strikt konservativ, sie profiliert sich mit Stellungnahmen gegenüber Einwanderern und Muslimen. Ökonomisch hingegen äußert sie sich "liberaler" und marktorientierter als etwa ihre Tante.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: