Frankreich:Den Krieg wegnuscheln

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Frankreich bereitet Anti-IS-Luftangriffe auf Syrien vor, aber Präsident François Hollande bleibt vage, was die Zukunft des Diktators Baschar al-Assad berifft.

Von Christian Wernicke, Paris

Feinsten Zwirn hat François Hollande für seinen Auftritt im Festsaal des Élysée gewählt. Der silbergraue Anzug glänzt im Scheinwerferlicht. Ungewohnt cooler Chic umgibt Frankreichs Präsidenten, als er zwischen zwei vergoldete Säulen des Palastes tritt, um am Montag - zum nunmehr sechsten Mal - seinem Volk per halbjährlicher Pressekonferenz die Lage der Nation zu erläutern. Und doch, grau bleibt grau: Dieser Mann hat kein Talent zur großen Geste. Gleich wird er, als neuer Kriegsherr in Syrien, sogar über Leben und Tod sprechen. Doch selbst in diesen Momenten wird er blass wirken, werden die faden Worte dieses "normalen Präsidenten" verhallen. So wie bei dem Satz, der ihm jetzt über die Lippen kommt: "Meine einzige Pflicht ist es zu handeln", nuschelt Hollande ins Mikro, "ich tue, was ich zu tun habe."

Es gehört zum Drama dieses Mannes, so schrecklich undramatisch zu sein. Andere, allen voran Hollandes Nemesis und Vorgänger Nicolas Sarkozy, würden diesen medialen Moment auskosten. Hollande verwaltet ihn. Er rückt seine Brille zurecht, legt die rechte Hand ans Podium und spricht mit ungerührter Miene Sätze wie diese: "Ich habe den Verteidigungsminister angewiesen, dass ab morgen Aufklärungsflüge über Syrien geflogen werden können." Dass Frankreich damit ab Dienstag null Uhr tiefer denn je in einem neuartigen Nahostkrieg verstrickt ist - man überhört es fast.

Dabei gibt sich der 61-jährige Sozialist durchaus Mühe. Für seinen Auftritt hat er sich eine Anapher gewählt, eine rhetorische Wendung also, die er wieder und wieder einstreut in seinen tonlosen Vortrag: "faire des choix". 13 Mal wird der Präsident sagen, dass es Aufgabe seines hohen Amtes sei, eine Wahl zu treffen. Zum Beispiel mutig zu entscheiden, dass Frankreich - trotz ablehnender Umfragen - mehr Flüchtlinge aufnehmen muss. Oder dass Frankreichs Arbeitsrecht (trotz des Widerstandes der Gewerkschaften) liberalisiert wird. Oder dass die Steuern sinken sollen, wenigstens ein kleines bisschen. Es hilft nichts, das Image von Hollande als Entscheider und Staatsmann mag sich auch an diesem 7. September 2015 nicht durchsetzen.

Frankreichs Präsident François Hollande spricht am Montag im Élysée vor allen Dingen vom "Entscheidungen treffen". (Foto: Alain Jocard/AFP)

Was aus dem Diktator Baschar al-Assad werden soll? Der Präsident weiß es nicht recht

Es gibt sehr wohl Momente, die erkennen lassen: Es war dieser graue Mann hinterm Pult, der entschieden hat. Hollande kann präzise erklären, warum er den Krieg ausweitet. Warum er - nach einem Jahr französischer Luftangriffe auf Stellungen der Terrormilizen des Islamischen Staates nur im Irak - nun die Attacken französischer Mirage und Rafale auf Ziele in Syrien ausweiten will. Hollande nennt zwei Gründe. Zum einen seien es die IS-Gotteskrieger, "vor deren Massakern Tausende Familien aus Syrien" fliehen und damit den Flüchtlingsstrom verursachen, den Europa seit Wochen zu verkraften versucht. Und zweitens hat Hollande "Beweise, dass von Syrien aus Angriffe auf mehrere Länder, darunter auch das unsere, geplant wurden".

Hollande macht zweierlei in einem: Er lässt eine humanitäre Intervention fliegen - und bombt im Anti-Terror-Krieg, den die Franzosen nach dem nur knapp gescheiterten Anschlag auf einen TGV mehr denn je fürchten. Zugleich weiß der Präsident sehr genau, was er nicht will: französische Bodentruppen in der Wüste. Das wäre, so belehrt er, "so inkonsequent wie unrealistisch. Aus den Reihen der konservativen Opposition hatten sich zuletzt die Forderungen gemehrt, Paris solle seine Elitetruppen in den syrischen Staub schicken. Auf Nachfrage eines Journalisten erklärt Hollande, warum er dies für einen Irrweg hält: "Es wäre unrealistisch, weil wir die Einzigen wären. Und inkonsequent, weil es bedeuten würde, die Operation in den Einsatz einer Besatzungstruppe zu verwandeln." Vage bleibt Hollande nur, wenn er nach der Zukunft von Syriens Diktator Baschar al-Assad gefragt wird. Den wollte Frankreich schon im Sommer 2013 aus dem Amt bomben. Doch Barack Obama machte nicht mit. Inzwischen sagt Hollande nur noch, es werde "der Moment kommen", da Assad "letztlich gehen muss".

Nein, Hollande beherrscht die Show nicht. Und er will es auch nicht lernen. Gegen Ende seines Auftritts fragt ihn eine Fernsehjournalistin, ob er - nach dem Vorbild seines US-Kollegen Obama - auch bereit wäre, in einer Reality-Show im Fernsehen aufzutreten. Hollande schaut verdutzt über den Brillenrand, flüchtet sich in einen Witz. Das ist ein Genre, das er beherrscht: "Ich habe den Eindruck", sagt er grinsend, "dass ich an so einer Show seit 2012 teilnehme." Seit seinem Amtsantritt also. Schon blickt er wieder ernst drein: "Die Wirklichkeit ist schwer genug. Das müssen wir nicht ausstellen."

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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