Frankreich:Burkini-Bann gekippt

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Frankreichs höchstes Verwaltungsgericht hat entschieden: Das Verbot religiöser Bademode verletzt Grundfreiheiten. Die politische Debatte um Laizismus und Islam ist damit jedoch noch nicht beendet.

Von Christian Wernicke, Paris

Der Burkini ist wieder erlaubt an Frankreichs Stränden. Das hat am Freitag der Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, entschieden. Die Richter erklärten, das von der Stadt Villeneuve-Loubet nahe Nizza erlassene Verbot religiöser Badebekleidung verletze "schwerwiegend und offensichtlich ungesetzlich die Grundfreiheiten". Zunächst ist zwar nur die Anordnung des Bürgermeisters von Villeneuve-Loubet außer Kraft gesetzt. Aber der Grundsatzentscheidung dürften Verwaltungsgerichte folgen, wenn muslimische Verbände und Menschenrechtsgruppen wie angekündigt gegen die mehr als 30 anderen Städte mit Burkini-Verboten vorgehen.

Die Stadt Villeneuve-Loubet hatte geltend gemacht, Burkini am Strand gefährdeten die öffentliche Ordnung. Zur Begründung hatte der Bürgermeister Lionnel Luca auf die aufgeheizte Stimmung nach dem Attentat vom 14. Juli mit 86 Todesopfern in Nizza verwiesen. Den Richtern genügte dieser allgemeine Hinweis auf mögliche Unruhen jedoch nicht. Für eine Einschränkung der Bewegungs- und Glaubensfreiheit seien konkrete Indizien einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung nötig. Der Anwalt der Gemeinde hatte bei der Anhörung fast ausschließlich ordnungsrechtliche Motive geltend gemacht. Hinweise auf Frankreichs strikte Trennung von Kirche und Staat (Laizismus) vermied er. Auf der Gegenseite hatte die Liga für Menschenrechte (LDH) gewarnt, eine Billigung des Burkini-Verbots könne zur Folge haben, künftig auch das Kopftuch in der Öffentlichkeit zu verbieten: "Der Burkini ist im Grunde ein Kopftuch, angepasst fürs Baden", sagte LDH-Anwalt Patrice Spinosi.

Nach dem Urteil kündigte der Bürgermeister des korsischen Badeorts Sisco an, er werde den Burkini weiterhin verbieten. In Sisco war es jüngst zu einer Massenschlägerei zwischen drei muslimischen Familien und Dorfbewohnern gekommen. Das sei ein Nachweis drohender Unruhe und rechtfertige das Verbot. Bürgermeister Luca sagte, das Urteil werde die Spannungen erhöhen: "In unserem Land schreitet die Islamisierung ungezügelt fort." Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bemüht, forderte, mit einem nationalen Gesetz islamische Badekleidung in Frankreich zu verbieten. Bisher hatten fast nur Politiker des rechtsextremen Front National ein gesetzliches Burkini-Verbot befürwortet. Die Regierung lehnt ein Burkini-Gesetz ab.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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