Frankreich:Ausdrücklich beschuldigt

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François Fillon, 63, will Frankreichs nächster Präsident werden. Aber gegen ihn ermittelt die Justiz. Sie wirft ihm Veruntreuung öffentlicher Mittel und Unterschlagung privater Gelder vor. (Foto: Guillaume Horcajuelo/dpa)

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Fillon muss einen erneuten Rückschlag einstecken: Die Justiz eröffnet nun offiziell Ermittlungen gegen ihn.

Von Christian Wernicke, Paris

Der Präsidentschaftskandidat der französischen Republikaner, François Fillon, muss einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Seit Dienstag sieht sich der 63-jährige Konservative einem offiziellen Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Damit ist Fillon in der Affäre um die mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Penelope und zwei seiner Kinder nun erstmals ausdrücklich als Beschuldigter eingestuft worden. Die drei Untersuchungsrichter werfen Fillon die Veruntreuung öffentlicher Mittel vor sowie die Unterschlagung privater Gelder. Insgesamt geht es um Zahlungen von mehr als einer Million Euro. Fillon sieht sich als Opfer einer Verschwörung von Justiz und Medien. Einen Rücktritt hat der Kandidat für das höchste Staatsamt kategorisch ausgeschlossen.

Ursprünglich war die erneute Eskalation im "Fall Fillon" frühestens für diesen Mittwoch erwartet worden. Die Untersuchungsrichter und das Ehepaar Fillon waren jedoch übereingekommen, die Vernehmung um einen Tag vorzuziehen. Nur auf diese Weise, so erklärte Fillons Anwalt Antonin Lévy, habe man "eine Anhörung in Ruhe" und ohne Medienrummel garantieren können. Die umgehende Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bedeutet für Fillon, dass die bisherigen Untersuchungen schwerwiegende und übereinstimmende Indizien gegen ihn zutage gefördert haben.

Nach Informationen des Senders BFM-TV verlas Fillon nur eine kurze Erklärung, ansonsten verweigerte er die Aussage.

Fillon hatte gegenüber seinen Wählern eine moralische Schuld eingestanden: Er habe "zu spät" verstanden, dass die Franzosen die Beschäftigung von Familienangehörigen als parlamentarische Mitarbeiter von Abgeordneten nicht länger duldeten. Ein rechtliches Vergehen sieht er hingegen nicht. Auch Penelope Fillon hatte in einem Interview beteuert, sie habe tatsächlich für ihren Mann gearbeitet: "Alles war legal."

Anders als noch vor zwei Wochen stellten sich in ersten Reaktionen die französischen Republikaner hinter ihren Bewerber. "Unsere Basis glaubt, dass Fillon der beste Kandidat ist", sagte der Abgeordnete und frühere Parteischatzmeister Daniel Fasquelle. Ein anderer Parteifreund, der konservative Abgeordnete Philippe Gosselin, meinte, das Ermittlungsverfahren sei "nichts Neues". Sozialistische Politiker erinnerten daran, dass Fillon noch voriges Jahr seinen Konkurrenten und früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy wegen dessen Affären attackiert hatte. Ende Januar hatte Fillon noch versichert, er werde in dem Fall seine Kandidatur aufgeben. Dieses Versprechen zog er im Februar zurück.

Am Dienstag waren neue Details über den Stand der Ermittlungen durchgesickert. Demnach sollen Fillons Kinder Marie und Charles, die beide während Fillons Zeit als Senator in den Jahren 2005 bis 2007 für ihn als Assistenten gearbeitet hatten, einen erheblichen Teil ihrer Gehälter auf das väterliche Konto überwiesen haben. Sohn Charles, berichtete der Parisien, habe etwa 30 Prozent seines Gehalts abgetreten, angeblich als Ausgleich für früher von den Eltern bezahlte Mieten und Taschengeld. Tochter Marie überwies 33 000 Euro auf das elterliche Konto, vorgeblich als Rückerstattung ihrer Hochzeitskosten.

Der Verdacht der Unterschlagung privater Summen zielt auf eine frühere Beschäftigung von Penelope Fillon als "literarische Beraterin" einer Zeitschrift. Dafür hatte sie in 20 Monaten Tätigkeit 100 000 Euro brutto erhalten. Die Ermittler fanden jedoch nur wenige Arbeitsnachweise. Der Eigentümer der Zeitschrift hatte auf Betreiben Fillons zuvor das Großkreuz der Ehrenlegion erhalten.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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