Frankreich:Auf Dauer schärfere Regeln

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Nach der tödlichen Messerattacke sichern Polizisten den Bahnhof Saint-Charles in Marseille. (Foto: Bertrand Langlois/AFP)

Frankreichs Nationalversammlung hat ein umstrittenes Anti-Terror-Gesetz gebilligt, das den Behörden erweiterte Befugnisse gibt.

Die französische Nationalversammlung hat ein umstrittenes Anti-Terror-Gesetz gebilligt, das den Behörden auf Dauer erweiterte Befugnisse gibt. Die Abgeordneten nahmen die Vorlage von Innenminister Gérard Collomb am Dienstag mit breiter Mehrheit an. Damit werden Teile des seit knapp zwei Jahren geltenden Ausnahmezustands gesetzlich verankert. Zwei Tage nach dem Attentat von Marseille mit zwei Toten und einem Bombenfund in Paris gab es mehrere Festnahmen.

Die Nationalversammlung stimmte den neuen Regeln mit 415 zu 127 Stimmen zu, es gab 19 Enthaltungen. Auch Abgeordnete der Sozialisten und der konservativen Republikaner stimmten für das Gesetz. Nun muss noch eine Verständigung mit dem Senat gefunden werden, wo die Konservativen eine breite Mehrheit haben. Das Gesetz könnte dann Mitte Oktober besiegelt werden.

Innenminister Collomb sprach von einer "nachhaltigen Antwort auf eine permanente Bedrohung" durch Dschihadisten wie die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS)

. Mit der Novelle will die Regierung den Behörden auf Dauer Rechte übertragen, die sie unter dem Ausnahmezustand erhalten haben. So können etwa der Innenminister oder Präfekten in den Départements ohne richterliche Anordnung die Bewegungsfreiheit von Verdächtigen einschränken oder umfangreiche Polizeikontrollen an Bahnhöfen oder Flughäfen anordnen.

Einige Bestimmungen werden im Vergleich zum Ausnahmezustand noch verschärft: So können Behörden die Schließung religiöser Einrichtungen künftig schon dann anordnen, wenn dort "Ideen und Theorien" zur Förderung des Terrorismus verbreitet werden. Bisher mussten konkrete Schriften oder Äußerungen vorliegen. Kritiker im linken Lager warnten vor einer Beschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte. Auf Druck der Linken hatte die Regierung von Präsident Emmanuel Macron zuletzt einige Vorgaben abgeschwächt. So dürfen die Behörden die erweiterten Befugnisse nicht länger anwenden, um gegen Demonstranten vorzugehen, wie dies die sozialistische Vorgängerregierung tat.

Die Chefin der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, kritisierte das Gesetz scharf. Es sehe keine spezifischen Maßnahmen zum Kampf gegen "die islamistische Ideologie vor, die uns den Krieg erklärt hat", rügte sie. Das Gesetz sei zudem "deutlich weniger wirkungsvoll als der Ausnahmezustand". Die Sonderbefugnisse waren nach den Anschlägen vom November 2015 mit 130 Toten erlassen worden und wurden seitdem sechs Mal verlängert. Die konservativen Republikaner sprachen als größte Oppositionsgruppe im Parlament von einem "Alibi"-Gesetz und forderten ein härteres Vorgehen gegen Terrorverdächtige. Nach ihren Vorstellungen sollten besonders radikale Gefährder präventiv inhaftiert werden. Zudem wollen die Republikaner nach einem Gegenvorschlag "Ausländer entfernen, die die öffentliche Ordnung stören".

Zwei Tage nach der Messerattacke von Marseille mit zwei Toten nahm die französische Polizei vier Verdächtige fest. Ein 29-jähriger Tunesier hatte am Sonntag am Hauptbahnhof der Hafenstadt zwei Frauen getötet, bevor er von Soldaten erschossen wurde. Der IS reklamierte die Tat für sich, es blieb aber zunächst unklar, ob es sich tatsächlich um einen Anschlag handelte. Der Tunesier hatte offenbar zeitweilig in Italien gelebt. Für Diskussionen in Frankreich sorgte es, dass der Angreifer zwei Tage vor der Attacke aus Polizeigewahrsam auf freien Fuß gesetzt worden war, obwohl er keine Aufenthaltsberechtigung hatte. Nach dem Fund einer Bombe in Paris nahm die Polizei am Dienstag fünf weitere Verdächtige fest.

© SZ vom 04.10.2017 / AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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