Flüchtlingspolitik:Wahlkampf mit Merkel-Malus

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Die Bundespolitik dominierte den Beschluss des Landeswahlprogramms: Julia Klöckner als Schattenriss auf der Wand des Podiums in Lahnstein. (Foto: Harald Tittel/dpa)

Julia Klöckner rechtfertigt die Politik der Kanzlerin im Umgang mit den Flüchtlingen - ihr eigenes Wahlkampfprogramm für Rheinland-Pfalz wird zur Nebensache.

Von Susanne Höll, Lahnstein

Eigentlich wollte sich Julia Klöckner an diesem Vormittag in Lahnstein nicht allzu lang dem Thema Flüchtlinge widmen. Sondern der Frage, was sich mit ihr als Ministerpräsidentin nach Ostern in Rheinland-Pfalz ändern soll.

Vor Klöckner sitzen 100 Männer und Frauen, die das Programm für die Landtagswahl beschließen werden, 212 Punkte, darauf verweisen die Christdemokraten im nüchternen Seminarraum des Tagungshotels mit Stolz. Die Stimmung ist aber so nüchtern wie der Saal. Kein Wunder, die CDU verliert an Zustimmung, bundesweit und auch an Rhein und Mosel, der Kanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik wegen. Ein Sieg am 13. März ist nicht mehr sicher.

Deshalb spricht Klöckner wesentlich länger über die Flüchtlinge als geplant. Und wirbt um Verständnis für Angela Merkel. Die Christdemokraten können nicht nur die rot-grüne Landesregierung attackieren. Sie müssen sich ihrer selbst vergewissern, in diesem seltsamen Wahlkampf.

"Wir können das Flüchtlingsthema bei der Programmdiskussion nicht ignorieren", wirbt Klöckner um Verständnis bei den Funktionären, die viel lieber über Landesfragen reden würden und es gern krachen lassen würden, im Streit mit den Sozialdemokraten.

Aber die Wähler interessieren sich derzeit weniger für marode Brücken, die Pflege der Schreibschrift in den Schulen oder Bürokratieabbau. Selbst CDU-Getreue zweifeln, wie das gehen soll mit den Schutzsuchenden. Weniger Getreue sind schon abgewandert, hin zur rechtspopulistischen AfD, die laut Umfragen in den Mainzer Landtag einzieht. Der Vorsprung der Klöckner-CDU schmilzt, sie lag einmal bei 41 Prozent, mancher fantasierte damals über eine Alleinregierung in Mainz. Die Zeiten sind vorbei. Derzeit liegt sie in Umfragen bei 38 Prozent, die SPD bei 31. Und es könnte noch knapper werden.

Die Umfragewerte für die CDU in Rheinland-Pfalz werden schlechter - zugunsten der AfD

Die schwarzen Strategen behaupten dieser Tage zwar, dass sie nicht daran geglaubt hätten, am Wahltag über die 40 Prozent zu kommen. Die aktuellen Werte seien realistisch. Aber wenn es neue Aufregung gibt, wie nach der Silvesternacht von Köln? Die Strategen zucken mit den Schultern. Und im Saal appelliert Klöckner an ihre Leute, die CDU-Anhänger im Wahlkampf bei der Stange zu halten und sie nicht zur AfD überlaufen zu lassen. "Wir müssen die Wähler bekehren, die vielleicht die Mitte der Gesellschaft verlassen." Nachdenkliche Gesichter im Saal. Die Sohlen müssten sich die Leute ablaufen in den nächsten sechs Wochen, fordert Klöckner.

Und dann noch ein paar Worte zur CDU-Bundesvorsitzenden. Wie sehr sie die Partei verstört, lässt sich der Lobpreisungen Klöckners auf Merkel ablesen: "Sie ist als Einzige auf der Welt unterwegs, um eine Lösung in der Flüchtlingsfrage zu finden", sagt sie. Bis an den Rand der Erschöpfung rackere Merkel um Übereinkünfte, die die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland senken sollen. "Wir stehen an ihrer Seite", sagt sie dann. Tatsächlich?

Seit Wochen zerbrechen sich die Leute den Kopf, ob die Winzertochter aus Guldental die Kanzlerin unterstützt oder ihr alle paar Wochen in den Rücken fällt, mit Vorschlägen für ein Burka-Verbot, ein Integrationspflichtgesetz oder ihrem Plan A2, präsentiert vor Wochenfrist, für Aufnahmezentren im Ausland oder in Grenznähe. In Grundsatzfragen, davon kann man ausgehen, sind sich die beiden einig. Die deutschen Grenzen sollen offen bleiben, so lange wie möglich. Gehen auch hierzulande die Schlagbäume wieder herunter, ist das gemeinsame Europa perdu und der Wohlstand schwindet. Aber Klöckner steht unter Zeitdruck. Sie muss die Skeptiker bis zum 13. März bei Laune halten, kann nicht warten, ob sich vielleicht bis zum Frühsommer internationale Antworten finden. Sie - und andere in der CDU - sammeln deshalb Vorschläge, was Deutschland tun kann, um zumindest die Hoffnung zu erwecken, dass die Zahl der Schutzsuchenden sinkt. Merkel hat zehn Wahlkampfauftritte in Rheinland-Pfalz.

Und dann geht es doch noch um Landespolitik. Die CDU will ein Landesfamiliengeld einführen und den Kommunen erlauben, von Durchschnitts- oder Besserverdienenden wieder Kita-Gebühren zu verlangen. Die SPD wettert schon, das sei ungerecht. Das Wahlprogramm wird schlussendlich einmütig angenommen. Von Konflikten keine Spur. Klöckner und ihre Leute hoffen, dass das so bleibt im Land und etwas mehr Friede einzieht in die Union im Bund. Und der Vize-Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf fordert mehr Rücksichtnahme auf die Wahlkämpfer. Beim Fußballspielen habe auch er hin und wieder gefoult, sagt er. Aber nicht die eigenen Teamkollegen.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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