Flüchtlingspolitik:Von Tschad direkt nach Frankreich

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Erschöpft am Strand: Flüchtlinge an der französisch-italienischen Grenze bei Menton. (Foto: Lionel Cironneau/dpa)

Präsident Emmanuel Macron will in seinem Land ein Beispiel setzen und Tausende Schutzbedürftige aus Afrika aufnehmen. Dafür sollen allerdings Migranten ohne Bleiberecht entschlossen zurückgeschickt werden.

Von Stefan Ulrich, München

Über die Idee wird in der Flüchtlingskrise schon länger diskutiert: Die EU-Staaten könnten die Asylberechtigung von Migranten bereits außerhalb Europas prüfen. Fällt die Kontrolle positiv aus, sollen die Menschen sicher, direkt und legal in europäische Aufnahmeländer gebracht werden. Menschen, die als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft werden und deshalb kein Bleiberecht in Europa haben, sollen dagegen dazu gebracht werden, die Weiterreise abzubrechen. Politiker wie der französische Präsident Emmanuel Macron hoffen, so Migranten von der oft tödlichen Überfahrt über das Mittelmeer abhalten und die Zahl der in Europa ankommenden Menschen besser begrenzen zu können.

Nun will die Regierung Macron das Konzept in die Tat umsetzen. Wie der Präsident jetzt bei einem Treffen mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Filippo Grandi in Paris ankündigte, werden die Franzosen und das UN-Flüchtlingshilfswerk bereits in den kommenden Wochen eine gemeinsame Mission in die zentralafrikanischen Länder Niger und Tschad schicken. Die beiden Staaten sind wichtige Transitländer für Afrikaner, die sich nach Europa durchschlagen wollen.

Paris möchte sich künftig besser um Flüchtlinge kümmern, die bereits im Land sind

Frankreich will in den nächsten beiden Jahren 3000 besonders schutzbedürftige Menschen aus Niger und Tschad aufnehmen. Weitere 7000 Flüchtlinge sollen auch aus Staaten wie der Türkei, dem Libanon und Jordanien nach Frankreich gebracht werden. Die Regierung in Paris hatte sich bereits auf einem Flüchtlingsgipfel im August allgemein dazu bereit erklärt, Asylberechtigte direkt aufzunehmen. Daraufhin forderte das UN-Flüchtlingshilfswerk die französische Regierung im September auf, ihr genaues Engagement rasch festzulegen. Laut den Vereinten Nationen sind derzeit im Tschad 83 500 Menschen besonders schutzwürdig und in Niger 10 500 Menschen.

Die EU-Kommission in Brüssel hat vor kurzem vorgeschlagen, in den kommenden beiden Jahren 50 000 Flüchtlinge aus Drittstaaten nach Europa zu bringen. Allerdings ist die EU mit einer vorangegangenen Umverteilungsaktion nicht sehr weit gekommen: 2015 hatten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschlossen, 160 000 Flüchtlinge aus den überlasteten Ländern Italien und Griechenland nach Quoten auf die anderen EU-Länder zu verteilen. Tatsächlich sind bis diesen September nur 29 000 Menschen umverteilt worden. Einige osteuropäische Staaten nahmen fast gar keine Flüchtlinge auf. Auch Deutschland und Frankreich erfüllten ihre Quoten bei weitem nicht voll.

Präsident Macron schlug jetzt erneut vor, eine europäische Asylbehörde und ein europäisches Integrationsprogramm zu schaffen. "Europa muss einen gemeinsamen Raum des Schutzes und der Solidarität errichten", sagte er. Zugleich versprach der Präsident, Frankreich werde sich künftig besser um die Flüchtlinge kümmern, die bereits im Land sind. Die französischen Regierungen gerieten in den vergangenen Jahren immer wieder in die Kritik, weil in wilden Flüchtlingslagern im Land - zum Beispiel im so genannten Dschungel von Calais - elende Zustände herrschten. Etliche Flüchtlinge mussten zudem auf den Straßen der Städte leben.

"Ich wünsche, dass diejenigen, die Asyl verlangen können, besser aufgenommen werden", sagte Macron. Die "inhumane und ineffektive" Dauer der Anerkennungsverfahren müsse beschleunigt werden. Außerdem wolle sein Land mehr tun, damit sich Flüchtlinge leichter integrieren und Französisch lernen sowie einfacher Wohnung und Arbeit finden. Auf der anderen Seite werde man solche Migranten, die kein Bleiberecht haben, viel entschlossener als bisher zurückschicken.

Kritiker werfen dem Präsidenten allerdings vor, in der Flüchtlingskrise nur das Minimum zu tun. Damit folge er der Linie seines Vorgängers François Hollande. Im Jahr 2016 wurden unter Hollande in Frankreich ungefähr 80 000 Asylbewerber registriert. In Deutschland waren es im selben Jahr etwa 720 000. Macron hatte im Präsidentschaftswahlkampf die Aufnahmepolitik der französischen Regierung kritisiert und sich hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestellt.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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