Flüchtlingskrise:Merkel lobt die Türkei

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Vor dem Brüsseler EU-Gipfel sagt die Kanzlerin: Ankaras Leistungen "können gar nicht hoch genug gewürdigt werden".

Von Daniel Brössler und Robert Roßmann, Berlin/Brüssel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem möglicherweise entscheidenden EU-Gipfeltreffen zur Flüchtlingspolitik die bisherige Rolle der Europäischen Union ungewöhnlich deutlich kritisiert. "Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union von 28 Mitgliedsstaaten mit 500 Millionen Bürgern bislang so schwergetan zu haben, die Lasten zu teilen", sagte Merkel. Umso wichtiger sei es, dass die EU nun dabei sei, "wenigstens schrittweise voranzukommen". Die Kritik an der EU wurde durch Merkels gleichzeitiges Lob für die Türkei noch deutlicher. Die Kanzlerin pries in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag Ankara für die Versorgung der mehr als zwei Millionen Flüchtlinge, die derzeit in der Türkei untergekommen seien. Diese Leistung könne "gar nicht hoch genug gewürdigt" werden. Beim Gipfeltreffen an diesem Donnerstag und Freitag will die EU eine Vereinbarung mit der Türkei schließen. Ankara soll sich verpflichten, alle neuen Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen.

Im Gegenzug soll die EU syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen Merkel sagte, sie werde sich weiter für eine europäische Lösung statt für einseitige nationale Maßnahmen wie der Schließung der Balkanroute einsetzen. Deutschland habe zwar von der Schließung der Grenzen profitiert, da die Flüchtlingszahlen stark gesunken seien. Jetzt müsse aber Griechenland die ganze Last tragen. Die Kanzlerin zeigte sich zuversichtlich, dass der EU-Gipfel "eine entscheidende Wegmarke" zur Lösung des Flüchtlingsproblems in Europa werden könne.

Schützenhilfe erhielt Merkel aus Brüssel. "Wir haben nun die Gelegenheit, das Geschäftsmodell der Menschenschmuggler ein für allemal zu zerstören und das menschliche Leid infolge dieser kriminellen Aktivitäten zu beenden", sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Die Kommission legte Eckpunkte für die Lösung der rechtlichen Probleme des Türkei-Deals vor. "Rückführungen können nur im Einklang mit dem internationalen und EU-Rechtsrahmen erfolgen", betonte Timmermans. So müssten alle Asylanträge individuell bearbeitet werden. Das bedeute aber nicht, dass Antragsteller in Griechenland bleiben können. Sie sollen wie alle anderen Flüchtlinge zurück in die Türkei gebracht werden. Die EU-Kommission beruft sich dabei auf die Asylverfahrensrichtlinie, nach der ein Asylverfahren eingestellt und der Antrag für unzulässig erklärt werden kann, wenn eine Person bereits als Flüchtling anerkannt wurde oder sie aus einem "sicheren Drittstaat" in die EU kommt. "Wir sagen nicht, dass das einfach wird, nichts davon ist einfach", räumte Timmermans ein.

Für das Gipfeltreffen wurden ziemlich schwierige Verhandlungen erwartet - auch wegen der von Ankara gestellten Bedingungen. So will die Türkei, dass ihre Bürger - nach Erfüllung aller rechtlichen Vorgaben - bereits von Juli an in den Genuss visafreien Reisens in die Europäische Union kommen. Auf Widerstand Zyperns stößt überdies die geplante Ausweitung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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