Flüchtlingskrise:Beeindruckt auf der "Bonn"

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Nato-Generalsekretär Stoltenberg lobt nach dem Besuch eines deutschen Versorgungsschiffs den Anti-Schlepper-Einsatz in der Ägäis. Doch die Türkei will die Mission beenden.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen war schon zu Besuch und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch. Die im Februar beschlossene Anti-Schlepper-Mission in der Ägäis ist ein Vorzeigeprojekt der Nato. "Ich war sehr beeindruckt", sagte Stoltenberg am Donnerstag nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin über seine Visite auf dem deutschen Einsatzgruppenversorger Bonn, dem Flaggschiff des Einsatzes. Die Zahl illegaler Überfahrten sei "substanziell verringert" worden aufgrund "der breiten internationalen Anstrengungen, an denen die Nato teilnimmt". Die Begeisterung wird nicht überall geteilt. Die Türkei wolle ein Ende der Mission, berichtete die Zeitung Hürriyet am Donnerstag, und das schon bis zum Warschauer Nato-Gipfel Anfang Juli. Es gebe nichts mehr zu tun.

Merkel hält die Mission "auch symbolisch für eine sehr, sehr wichtige Sache"

Im Nato-Hauptquartier in Brüssel ist bekannt, dass die Türken unzufrieden sind über die Zusammenarbeit mit den Griechen, was allerdings auch umgekehrt gilt. Dennoch glaubt man hier nicht an ein schnelles Ende der Mission und verweist auf den hohen Stellenwert, den die Türkei der Allianz beimisst. Auch beim Treffen der Außenminister der Nato-Staaten in Brüssel vor wenigen Wochen war der Einsatz als wichtiger Beitrag der Allianz zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gepriesen worden. Und auch Kanzlerin Merkel betonte nach der Begegnung mit Stoltenberg, die Mission in der Ägäis sei "auch symbolisch eine sehr, sehr wichtige Sache".

Tatsächlich ist der maßgeblich von Merkel auf den Weg gebrachte Einsatz ein Novum. Er bringt die sich mit tiefem Misstrauen belauernden Nato-Länder Türkei und Griechenland an ihren Seegrenzen zusammen. Beide Länder sind mit Schiffen an dem Nato-Verband beteiligt, der in der Ägäis patrouilliert. Aufgabe des Verbandes mit acht Schiffen ist es, die Küstenwachen der Türkei und Griechenlands sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex über verdächtige Bewegungen zu informieren. Ob und wie sehr die Nato zur drastisch gesunkenen Zahl der von der Türkei aus in Richtung Griechenland aufbrechenden Flüchtlinge beigetragen hat, ist indes schwer zu messen. Man habe "eine ganze Anzahl von Migrantenbooten entdeckt, aufgeklärt, gesichtet seit Beginn des Einsatzes", sagte kürzlich Flottillenadmiral Jörg Klein, der den Verband von der Bonn aus führt. Genaue Zahlen aber nennt die Nato nicht.

Auf sie kommt es für die von Merkel betonte "symbolische" Seite der Mission auch nicht unbedingt an. Gemeint ist nicht nur das schwierige Unterfangen, Türken und Griechen zusammenzuspannen, sondern auch der Wunsch, die Kräfte von EU und Nato zu bündeln. Man prüfe über die Ägäis hinaus "Einsatzmöglichkeiten, Einsatznotwendigkeiten der Nato" zur Bekämpfung von Schleppern und Schmugglern, sagte Merkel. In der Nato wird überlegt, die Anti-Terror-Operation A ctive Endeavour so umzugestalten, dass sie die EU-Mission Sophia der EU vor Libyen unterstützen kann.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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