Flüchtlinge:Religionswechsel macht keinen besseren Menschen

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Die Konversion zum Christentum alleine ist noch kein Abschiebehindernis. Es sollte aber auch Konvertiten aus ihrer Taufe kein Nachteil entstehen: Geschützt werden muss, wem Folter oder Tod drohen - an welchen Gott auch immer er glaubt.

Von Matthias Drobinski

Ein Mann ersticht in einer Flüchtlingsunterkunft in Arnschwang ein fünfjähriges Kind, offenbar, weil ihn Kinderlärm störte; fragen kann man ihn nicht mehr, die Polizei hat ihn erschossen. Schon dass ein Mann einfach ein Kind ersticht, ist eine furchtbare Geschichte. Furchtbar sind aber auch die Fragen hinter dieser Geschichte: Wurde der 41-jährige Afghane, der schon wegen Brandstiftung im Gefängnis saß und auch schon seine Frau mit dem Tod bedrohte, nur deshalb nicht abgeschoben, weil er Christ geworden war? Und wie viele Flüchtlinge lassen sich taufen, um der Abschiebung zu entgehen? Es gibt in Deutschland keine Massenbekehrungen, einige Tausend aber dürften es sein, die sich vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt haben. Müssen die nun mit anderen Augen gesehen werden?

Auch wenn mancher fromme Geistliche das hoffen mag: Dass jemand die Taufe wünscht, garantiert nicht, dass sein Motiv edel ist und sein Wesen gut; auch macht die Taufe den Getauften nicht unbedingt zum Menschenfreund. Menschen tragen ihr Erbgut, ihre Prägungen und Erfahrungen mit sich herum. Wer in Afghanistan oder Syrien die Grausamkeit des Bürgerkriegs und des Alltags erlebt hat, vergisst das nicht mit dem Religionswechsel; wer seine Aggressionen als Muslim nicht im Griff hat, schlägt dann auch als Christ zu. Die Motive für Konversionen sind sehr unterschiedlich. Sie geschehen aus tiefer religiöser Überzeugung heraus und aus dem diffusen Gefühl, dass das Christentum irgendwie für Freiheit, Moderne, Liberalität und die neue Heimat steht - und manchmal auch in der Hoffnung auf irgendwelche Vorteile. Wer das einem Flüchtling vorwirft, sollte übrigens auch auf alle schimpfen, die nur deshalb kirchlich heiraten, damit die Großmutter glücklich ist.

Motive für Konversionen sind sehr unterschiedlich

Die großen Kirchen reagieren deshalb eher zurückhaltend, wenn Flüchtlinge die Religion wechseln wollen. Es gibt evangelikale Gruppen, die mit Hurra jeden ins Taufwasser schubsen, sobald er nur das Wort "Taufe" spricht - sie sind aber die Ausnahme. In der Regel müssen die Taufbewerber über Monate, gar Jahre Glaubenskurse besuchen, vermeiden die Gemeinden offene Werbung in den Unterkünften, verzichten die Kirchenchefs auf triumphale Erfolgsmeldungen, die Muslime kränken könnten. Manches davon wirkt defensiv bis verdruckst. Insgesamt aber, das zeigt sich jetzt, war es klug, nicht dem Drängen derjenigen nachzugeben, die zur großen Missionsoffensive rufen wollten. Die Kirchen können jetzt überzeugend darlegen, dass sie niemanden leichtfertig taufen, bloß, damit die Statistik freundlicher aussieht. Ins Herz und Hirn derer, die zu ihnen kommen, können aber auch sie nicht blicken.

Ja: Wer hartnäckig, skrupellos und geschickt genug ist, kann auch aus niederen Motiven heraus Christ werden. Allerdings sollte dies kein Grund sein, allen, die sich da taufen lassen, erst einmal niedere Motive zu unterstellen. Schon vor dem furchtbaren Fall aus Arnschwang hatten allerdings viele, die christliche Konvertiten bei ihrem Asylverfahren begleiten, den Eindruck, dass eine Reihe von Entscheidern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge genau dies tut. Die Konversion zum Christentum alleine ist noch kein Abschiebehindernis, darauf weist zum Beispiel der Asylrechts-Experte Victor Pfaff hin - und das ist auch richtig so. Es sollte aber auch Konvertiten aus ihrer Taufe kein Nachteil entstehen: Geschützt werden vor der Abschiebung muss, wem in der Heimat Folter oder Tod drohen, an welchen Gott auch immer er glaubt oder nicht.

Die traurige Erkenntnis aus dem Fall des afghanischen Christen, der ein Kind erstach, ist wohl nur die: Der Mann hätte ins Gefängnis oder eine geschlossene Psychiatrie gehört und nicht in eine Flüchtlingsunterkunft. Als Muslim wie als Christ.

© SZ vom 09.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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