Flüchtlinge:Minister kritisiert Kirchenasyl

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Zahlen liegen "höher als erwartet", klagt Thomas de Maizière - und möchte darüber dringend mit den Kirchen reden.

Erneut gibt es Streit ums Kirchenasyl: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat kritisiert, dass Kirchengemeinden immer mehr Flüchtlinge aufnehmen, die abgeschoben werden sollen; die Zahlen seien "höher als erwartet", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Kirchenasyl müsse aber "immer ultima ratio sein, ein allerletztes Mittel", so der Innenminister. Darüber wollten Bund und Länder mit den Kirchen sprechen. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" wies Kritik de Maizières zurück: Kirchenasyle machten nur einen geringen Anteil aller neuen Asylfälle aus. Zwar habe es von Januar bis Oktober insgesamt 1270 Fälle von Kirchenasyl gegeben, zum Teil für mehrere Personen. Im gleichen Zeitraum seien jedoch 156 000 neue Asylsuchende nach Deutschland gekommen.

531 Menschen finden derzeit in den Kirchen Schutz, darunter 127 Kinder

Evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden gewähren im Kirchenasyl Menschen in besonderen Härtefällen Schutz vor einer drohenden Abschiebung. Es besteht eine Vereinbarung mit dem Staat, derzufolge die Kirchen ein Kirchenasyl dem Bundesamt melden; das prüft dann die Fälle nochmals. De Maizière sagte, die Vereinbarung, dass die Kirchen die staatlichen Stellen über jeden Fall informieren, klappe nicht immer. Das Bundesamt erklärte auf Anfrage, es würden die Fälle zwar gemeldet, oft werde aber entgegen der Vereinbarung kein Dossier vorgelegt. Darin fassen die zuständigen Kirchenmitarbeiter alle Informationen über einen bestimmten Fall zusammen. Nach Angaben des Bundesamts lagen zu den gemeldeten 1270 Fällen erst 639 Dossiers vor.

Die Kirchen wollten sich zur Kritik des Bundesinnenministers nicht äußern. Auch die katholische und die evangelische Kirche betonen, dass sie das Kirchenasyl als letztes Mittel sehen, um mögliches Unrecht zu verhindern. Zwischen Staat und Kirche finden regelmäßig Gespräche statt. Ein nächster Termin ist laut Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) für Anfang 2018 geplant. Mitte November gab es laut Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche 348 aktuell bestehende Fälle von Kirchenasyl in Deutschland. Die Gemeinden boten dabei 531 Menschen Schutz, darunter 127 Kindern. Überwiegend handelte es sich um sogenannte Dublin-Fälle, bei denen ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Besonders dies sorgt für Kritik auf staatlicher Seite. Die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Dietlind Jochims, verteidigte die Praxis. "Die menschenunwürdige Behandlung Geflüchteter in manchen osteuropäischen Ländern, die Nichtversorgung und Obdachlosigkeit zum Beispiel in Italien oder die uneinheitliche Entscheidungspraxis innerhalb Europas führen in Einzelfällen zu besonderen Härten", kritisierte sie. Seit der Vereinbarung von April 2015 bis Ende Oktober dieses Jahres durften nach Angaben des Bundesamts in 369 Fällen die Betroffenen in Deutschland bleiben. In 465 Fällen habe der Auffassung der Kirchenvertreter hingegen nicht gefolgt werden können.

© SZ vom 12.12.2017 / epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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