Flüchtlinge:Helfer brauchen Hilfe

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Die deutsche Polizei könnte gut Unterstützung gebrauchen, um die steigende Zahl an Flüchtlingen zu betreuen. Der Ruf nach der Bundeswehr, der jetzt von einigen Politikern zu hören ist, ist jedoch falsch und auch gefährlich.

Von Joachim Käppner

Es war nur eine Frage der Zeit, bis erste Unionspolitiker angesichts der vielen Flüchtlinge den Einsatz der Bundeswehr im Inland fordern würden. Holger Stahlknecht zum Beispiel, Innenminister von Sachsen-Anhalt, verlangt logistische Hilfe der Truppe bei der Unterbringung von Asylsuchenden. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen, sofern es sich um Know-how oder Zelte handelt, um eine große Zahl von Menschen rasch unterzubringen.

Dennoch ist ein unschöner Unterton dabei, wenn Politiker wie Stahlknecht angesichts der Flüchtlingskrise eine "neue Diskussion" über den Einsatz der Bundeswehr im Innern fordern. Das Grundgesetz verbietet den Einsatz von Militär im Inland, als Lehre aus der Weimarer Republik, deren Reichswehr die Demokratie bekämpfte, statt sie zu beschützen. Nur bei Katastrophen wie der Elbeflut 2002 darf die Hilfe der Bundeswehr angefordert werden oder wenn eine Gefahr nur militärisch abgewendet werden kann.

Flüchtlinge, auch sehr viele Flüchtlinge wie derzeit, sind aber keine äußere Gefahr und keine Flut, auch wenn manche absichtsvoll genau diesen Begriff der Flut gebrauchen. Das Deichgrafen-Vokabular ist oft verräterisch. Und auch wenn das Asylrecht für Migranten wie etliche vom Balkan, die gar nicht verfolgt werden, nicht greift, ist das noch lange kein Grund, nach Soldaten zu rufen. Und wenn die Lage dramatisch ist, dann sind Bund und Länder oft selber schuld daran, weil sie Polizei und Behörden zu schlecht ausgestattet haben.

Die Polizei gerät an ihre Grenze. Soll man die Bundeswehr rufen?

Zu Recht hat sich die GdP, die Gewerkschaft der Polizei, über den Ruf nach der Bundeswehr mokiert und ihn als "unsinnig" bezeichnet. Es gehe hier nicht um den Verteidigungsfall, sondern um die Folge eines jahrelangen "Ressourcenabbaus" - von Personal und Mitteln nämlich beim Einsatz gegen Notlagen und vor allem bei der Polizei. Die Zahlen mögen strittig sein, sicher ist: Bund und Länder haben bei der Polizei, vor allem dem Personal dort, in den vergangenen Jahren zu sehr gespart.

Die Folgen sind offensichtlich. Der Freistaat Bayern, der am lautesten ist, wenn es darum geht, die Südeuropäer dafür zu rügen, dass sie nicht alle aus Afrika und dem Nahen Osten kommenden Flüchtlinge registrieren, ist an den eigenen Aufnahmestellen genau damit offenkundig überfordert. Anderswo ist es nicht besser. Als Folge, schätzt die GdP, sind Tausende Eingereiste nicht registriert worden. Es fehlen neben Polizisten auch Asylentscheider, Verwaltungspersonal und ein effizientes Konzept zum Einsatz der vorhandenen Dolmetscher, in den Niederlanden gibt es dafür ein flexibles Callcenter.

Für die Polizeibeamten selber ist die Belastungsgrenze durch die zusätzlichen Aufgaben oftmals überschritten: Da ist die undankbare Aufgabe, Flüchtlinge abzufangen und gegebenenfalls zurückzuschicken, Heime müssen vor fremdenfeindlichen Übergriffen geschützt, Streitigkeiten unter Heimbewohnern geschlichtet werden. In Bonn hat das SEK am Wochenende einen offenbar mit einem Messer bewaffneten Asylbewerber angeschossen.

Die Flüchtlingskrise ist am wenigsten durch die Polizei zu lösen. Diese ist, wie nicht nur die Bilder vom Tunnel in Calais zeigen, in der undankbaren Rolle, das Gesetz vollstrecken zu müssen, wo die europäische Politik keine Antwort findet. Anders als etwa in Griechenland sind Misshandlungen von Flüchtlingen durch Polizeibeamte in Deutschland bisher glücklicherweise die Ausnahme. Aber für die Schutzsuchenden ebenso wie für die Polizisten wäre die Lage weit entspannter, wenn es mehr Beamte gäbe, diese gut geschult im Umgang mit Flüchtlingen und ihrerseits vernünftig betreut wären, statt Überstunden ohne Ende zu leisten.

Die Polizei versteht sich als Helfer. Jetzt braucht sie selber Hilfe, und zwar rasch.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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