Flüchtlinge:Heikler Alleingang

Lesezeit: 2 min

Aus Seenot gerettete Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. (Foto: Chris McGrath/Getty Images)

Nach dem Pariser Migrationsgipfel von vier EU-Staaten müht sich die Kommission nach Kräften, die Ergebnisse mit der eigenen Linie in Deckung zu bringen.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Wer nach greifbaren Ergebnissen des Pariser Migrationsgipfels sucht, wird wenig finden. Große Ankündigungen, ein politischer Richtungswechsel gar hätten die europäischen Partner und die Brüsseler Institutionen wohl zu sehr irritiert. In erster Linie ging es Frankreich, Deutschland, Spanien und Italien am Montag offensichtlich darum, sich mit den wichtigsten afrikanischen Transitländern für Migranten - Niger, Tschad und vor allem Libyen - an einen Tisch zu setzen, um eine Zusammenarbeit zu etablieren; in einem Format, das kürzere Wege und schnellere Reaktionen verspricht, als wenn die ganze Europäische Union beteiligt wäre.

Das Ziel ist das immerselbe: Drittstaaten sollen helfen, den Migrationsfluss einzudämmen

Das Ziel ist seit langer Zeit das immerselbe: Die Drittstaaten sollen helfen, den Migrationsfluss in Richtung Europa einzudämmen. Um sie zur Mitarbeit zu bewegen, stellt man ihnen allerlei Hilfen in Aussicht, praktischer und vor allem finanzieller Art. Das war auch das Prinzip des EU-Türkei-Abkommens 2016, das wesentlich durch deutsche Initiative zustande kam. Diesmal sind, wichtig für Berlin, die Franzosen an Bord, deren diplomatisches Netzwerk in der betroffenen Region einen konkreten Mehrwert bringt.

Für die Europäische Kommission, die eine Führungsrolle in der EU-Flüchtlingspolitik beansprucht, aber nicht immer durchsetzen kann, sind solche nationalen Alleingänge heikel. Immerhin durfte Außenkommissarin Federica Mogherini mitreden, und die Behörde mühte sich am Dienstag nach Kräften, die Pariser Ergebnisse mit der eigenen Linie in Deckung zu bringen. Sie konzentrierte sich daher auf den Anhang der Gipfel-Erklärung, in dem allgemein die Rede davon ist, Schutzbedürftige aus Afrika direkt nach Europa zu fliegen. Für diese "Umsiedlung" gibt es etablierte Mechanismen, wesentlich beteiligt an Auswahl und Organisation ist das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Im Juli hatte die Kommission die EU-Staaten aufgefordert, sich hier zu engagieren und bis September konkrete Aufnahmezahlen für besonders gefährdete Menschen aus Libyen, Niger, Ägypten, Äthiopien und dem Sudan zu nennen; als Ziel nennt sie knapp 40 000. Ähnliche Programme gibt es für syrische Flüchtlinge, die etwa aus Jordanien in die EU gebracht worden sind.

Mit dem Asylverfahren, das an den Außengrenzen der EU greift, hat das nichts zu tun. Allen Appellen, dieses Verfahren zu "externalisieren", also Asylgesuche etwa in speziellen Zentren schon auf außereuropäischem Boden zu gestatten und zu bearbeiten, begegnet die Kommission ablehnend. Das gilt etwa für die "Hotspots" in Nordafrika, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kürzlich gefordert hatte. Später ruderte er zurück und erwähnte sie am Montag wohlweislich nicht. Stattdessen schlug er vor, "Asylsucher" in sicheren Zonen in Tschad und in Niger zu "identifizieren". Die EU-Kommission weigerte sich, die Aussage zu interpretieren und verwies auf den Elysée, der eine Anfrage bis zum Abend nicht beantwortete.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: