Flüchtlinge:Anker im Asylverfahren

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Von Constanze von Bullion

Migration steuern und begrenzen und dafür sorgen, dass die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft "nicht überfordert" wird - das will eine mögliche großen Koalition beim Streitthema Zuwanderung erreichen. In der zuletzt ausgehandelten Fassung eines Koalitionsvertrags bekennen Union und SPD sich "strikt" zum Grundrecht auf Asyl, zur Genfer Flüchtlingskonvention, zur UN-Kinderrechtskonvention und zum EU-Recht, das zur "Bearbeitung jedes Asylantrags" verpflichte. Gleichzeitig soll die Asylpraxis erheblich verändert werden. Mit der umstrittenen "Obergrenze" für Flüchtlinge hat das wenig zu tun. Hierzu wird nur festgestellt, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen werden". Was passiert, falls mehr Flüchtlinge kommen sollten, bleibt offen. Im Kapitel "Effizientere Verfahren" planen Union und SPD die Abwicklung von Asylverfahren in sogenannten Anker-Einrichtungen. In den Ankunfts- und Rückführzentren müssen alle Neuankömmlinge mindestens so lange bleiben, bis ihre Identität geklärt ist. Hier soll das gesamte Asylverfahren stattfinden, von Klärung der Herkunft über Speicherung von Fingerabdrücken und Auslesen von Handys bis zur Entscheidung im Asylverfahren. Strittig war, wie abschreckend diese Einrichtungen sein sollen - und wer dort wie lange festgehalten wird. "Wir streben an, nur diejenigen auf die Kommunen zu verteilen, bei denen eine positive Bleibeprognose besteht", heißt es nun. Flüchtlinge mit guter Bleibeaussicht dürfen die zentralen Unterkünfte verlassen - wann ist nicht definiert. Menschen ohne Bleibechance sollen zügig abgeschoben werden. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren soll "in der Regel insgesamt 18 Monate nicht überschreiten", bei Familien mit minderjährigen Kindern sechs Monate. Um Abschiebungen zu beschleunigen, sollen fehlende Papiere ersetzt und Hürden in Herkunftsländern abgebaut werden.

Wie, bleibt offen. Auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen, so die Planung, in Anker-Zentren bleiben, bis Identität und Alter geklärt sind. Dafür soll es jugendgerechte Bereiche geben. Wer als erwachsen eingestuft wird, soll in der Sammeleinrichtung bleiben. Minderjährige würde das Jugendamt übernehmen. Im Zweifel soll das Jugendamt die Altersfeststellung vornehmen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wirkt mit. Die Altersfestellung ist medizinisch umstritten. Wie sie genau vorgenommen wird, verrät der Text nicht.

Langjährig Geduldete sollen leichter Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen

Für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz, meist Syrer, soll der Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung abgeschafft werden. 2016 wurde er ausgesetzt, allerdings nur vorübergehend. Bis 1. August wollen Union und SPD nun eine Neuregelung vorlegen, wonach pro Monat bis zu 1000 nahe Verwandte zu subsidiär Geschützten in Deutschland ziehen können. Mit der Kontingentregelung erlischt für diese Flüchtlingsgruppe der Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Die Härtefallregelung soll erhalten bleiben.

Algerien, Marokko und Tunesien "sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter fünf Prozent" werden zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Kommt es zur großen Koalition, bekommen Länder und Kommunen in den nächsten vier Jahren insgesamt acht Milliarden Euro für die Integration, wie bisher. Langjährig Geduldeten wird der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Geplant ist auch ein Gesetz, das Zuwanderern mit Hochschulabschluss, Berufsausbildung oder gefragten berufspraktischen Kenntnissen die Einwanderung ermöglicht. Berücksichtigt werden dabei volkswirtschaftlicher Bedarf, Alter oder ein Jobangebot.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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