Finanzen:Ruhe im Ruhestand

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Rentnern soll komplizierte Steuererklärung erspart bleiben.

Von Cerstin Gammelin

Man kann sich den Schrecken vorstellen, den Senioren bekommen, wenn sie beim Gang zum Briefkasten unerwartet Post vom Fiskus vorfinden. Und darin Sätze wie Hammerschläge lesen: Sie haben Ihre Steuern nicht bezahlt. Geben Sie bitte binnen 14 Tagen eine Steuererklärung ab, sonst drohen Bußgelder. Der Blutdruck schießt in die Höhe, das Herz rast, der verstörte Senior greift zum Telefon, um zu erklären, dass er unbescholten ist. Finanzbeamte reagieren genervt.

Eine solche Aufregung soll es künftig nicht mehr geben. Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern hat ein Pilotprojekt gestartet, das Rentnern und Beamten das Miteinander vereinfachen soll. Finanzbeamte haben eine besondere Steuererklärung für Rentner entwickelt. Vorausgesetzt, der Ruheständler ist einverstanden, kann das Finanzamt künftig anhand der elektronisch übermittelten Rentendaten die jeweilige Einkommensteuer eigenständig ermitteln und direkt abziehen.

Zu den elektronisch übermittelten Daten gehören Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse, berufsständischer Versorgungswerke, von Pensionskassen und Versicherern. Das Finanzamt verrechnet alle vorliegenden Daten, der Rentner bekommt nur noch den Steuerbescheid zugeschickt, der die Höhe der festgesetzten Steuer sowie die Zahlungsfristen enthält.

Die Veranlagung von Amts wegen, so der bürokratische Fachausdruck, ist für jene Pensionäre sinnvoll, die ausschließlich gesetzliche Leistungen beziehen und keine weiteren Einkünfte haben, etwa aus Verpachtung von Land oder der Vermietung von Wohneigentum. Das ist vor allem im Osten Deutschlands der Fall.

Rentner, die sich vom Amt veranlagen lassen wollen, können auch Minijobs haben, solange sie pauschal besteuert werden und 450 Euro monatlich nicht übersteigen. Und auch jene Rentner, die noch Zinsen aufs Ersparte bekommen, können sich beruhigt vom Finanzamt veranlagen lassen, solange sie für die Zinsen den Sparerfreibetrag in Anspruch nehmen oder Abgeltungssteuer zahlen.

Von den 21 Millionen Rentnern hierzulande sind mittlerweile 4,4 Millionen steuerpflichtig, mit steigender Tendenz. Das liegt auch an den regelmäßigen Rentenerhöhungen. Im Jahr 2016 fielen sie so üppig aus, dass schlagartig 160 000 Pensionäre Steuern zahlen mussten. In diesem Jahr waren es mindestens 120 000. Zudem werden die Bezüge generell von Jahr zu Jahr höher besteuert. Seit 2005 erhöht sich für jeden neuen Rentnerjahrgang der steuerpflichtige Anteil. War 2005 die Hälfte der Rente steuerpflichtig, sind es jetzt 74 Prozent. Wer 2040 in Pension geht, muss die Bezüge komplett versteuern.

Die Veranlagung vom Amt stößt allerdings an Grenzen, wenn es um Brille, Zähne, Rollator und anderes geht, das Senioren als Sonderausgaben steuermindernd geltend machen können. Dazu müssen sie selbst eine Steuererklärung abgeben.

Das Pilotprojekt in Mecklenburg-Vorpommern wird vom Bundesfinanzministerium in Berlin beobachtet. Es läuft zunächst unbefristet. Sollten Senioren und Finanzbeamte gleichermaßen zufrieden damit sein, soll die Steuererklärung für Rentner mittelfristig bundesweit eingeführt werden.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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