Finanzen:Im Märzen der Banker

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Warum die Jahresbescheinigungen für die Steuer oft so spät kommen.

Von Andrea Rexer

Wenn Banken etwas nicht erklären wollen, dann greifen sie zur Standardausrede: "Wissen Sie, das ist viel komplizierter." Man könne eben nicht einfach am ersten Januar auf den Knopf drücken und die Jahressteuerbescheinigungen ausspucken, sagen die Vertreter der Geldhäuser unisono. Man soll es also schlicht hinnehmen, dass oft erst in diesen Märztagen die Briefe bei den Kunden eintrudeln, in denen die Banken auflisten, in welcher Höhe sie im Vorjahr Steuern für die Kunden abgeführt haben. Lästig ist das für all jene, die ihre Steuererklärung schon früh im Jahr vom Tisch haben wollen und bei denen Zinsen und Dividenden über die Freistellungsaufträge hinausgehen.

Die schnellsten Banken liefern das Schriftstück immerhin Mitte Februar, die langsamsten brauchen bis April. Was spielt sich da im Inneren der Banken ab, das den Prozess so in die Länge zieht? Fragt man die Computerspezialisten der Banken, so erntet man ein Seufzen. Haben Sie schon mal eine alte Zwiebel aufgeschnitten? Eine, bei der sich der Kern schon bräunlich verfärbt hat? So wird dem Laien das Computersystem einer Bank erklärt. Ganz innen befindet sich der Kern - dort liegen die sensiblen Kundendaten. Bei den großen deutschen Banken stammen die ältesten Anwendungen zum Teil aus den Siebzigerjahren. Manche sind noch in der Computersprache Cobol verfasst, die 1959 erfunden wurde. Da diese Sprache heute niemand mehr erlernt, werden zur Wartung tatsächlich bisweilen über 80-Jährige aus dem Ruhestand einberufen, um akute Probleme zu lösen. Wenn in IT investiert wurde, hat man nicht den Kern erneuert, sondern einfach neue Schichten obendrauf gepackt. Ganz oben liegen Anwendungen, die der Kunde sieht - etwa, wenn er dem Berater in der Filiale über die Schultern schaut, oder sein Online-Banking am Computer öffnet.

Die wenigsten Banken trauen sich, den Kern anzufassen, weil er durch eine Vielzahl von Berührungspunkten mit den äußeren Schichten der Zwiebel verbunden ist. Will man den Kern austauschen, müssen all diese Schnittstellen neu programmiert werden. Läuft dabei nur eine Kleinigkeit schief, könnte das Chaos ausbrechen - schließlich besteht unser Geld inzwischen vor allem aus Computerdaten.

Wer bei einem solch komplexen System auf den Knopf drückt, der wartet: Die Rechner brauchen mehrere Tage, bis sie die Zinserträge aller Sparguthaben der Kunden einer Großbank durchgerechnet haben. Würde man neue IT einsetzen, wären es nur wenige Stunden.

Doch warum brauchen selbst Banken mit moderner Infrastruktur sechs Wochen, um ein paar Briefe zu verschicken? Die ersten vier Wochen lassen sich durch eine simple Buchhaltungsvorschrift erklären: bis Ende Januar können Korrekturen in den Depots für das Vorjahr vorgenommen werden. Bis dahin können Fonds Positionen revidieren oder Kunden ihre Freistellungsaufträge verändern. Deswegen warten die Banken bis zu diesem Stichtag, bevor sie überhaupt einen Finger rühren. Danach beginnt die Uhr zu ticken.

Wie viel Zeit dann verstreicht, bevor der Jahressteuerbescheid im Briefkasten liegt, können Kunden als einen Gradmesser für die Effizienz und Modernität ihrer Bank ansehen.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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