Familie:Zornig als Präsident  - und Vater

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Nun attackiert Recep Tayyip Erdoğan auch Italien. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass dort gegen seinen Sohn wegen des Verdachsts der Geldwäsche ermittelt wird.

Von Oliver Meiler, Rom

Der Zorn des Recep Tayyip Erdoğan trifft nun auch Italien, nachdem er schon die USA, die EU als Ganzes und Deutschland im Besonderen erfasst hat. Man könnte es eine Schmähliste nennen, die der türkische Präsident da aufstellt, würde der Begriff nicht an eine unselige Geschichte um einen deutschen Komiker und dessen Gedicht erinnern. Erdoğan wähnt sich seit dem gescheiterten Putschversuch ungerecht behandelt von seinen westlichen Alliierten.

Sein Ärger über Italien hat auch eine ganz persönliche, ja familiäre Note - er tat ihn in einem Gespräch mit dem italienischen Nachrichtensender Rai News 24 kund: "Wenn mein Sohn in diesem Moment nach Italien reisen würde", sagte Erdoğan, "könnte man ihn verhaften." Bilal sei ein brillanter Mann, den man der Geldwäsche bezichtige. "Die Italiener sollen sich um die Mafia kümmern statt um meinen Sohn." Diese Affäre, so Erdoğan drohend, gefährde die Beziehungen zwischen der Türkei und Italien. Gemeint waren wohl auch die engen Wirtschaftsbeziehungen.

Italiens Premier Matteo Renzi twitterte genervt zurück: "In diesem Land gehorchen die Richter den Gesetzen und der italienischen Verfassung, nicht dem türkischen Präsidenten. Wir nennen das Rechtsstaat." Doch wahrscheinlich wäre es Renzi recht, wenn sich die Verstimmung mit dem schwierigen Verbündeten in Ankara bald legen würde - auch wegen Erdoğans Rolle in der Migrationsfrage.

Floh Bilal Erdoğan nach Bologna? Bewaffnete begleiteten ihn

Die italienische Affäre um Bilal Erdoğan begann Ende Sommer 2015, als der Sohn des Präsidenten mit Frau und zwei Kindern ins schöne Bologna zog, die Universitätsstadt in der Emilia. Schon die Ankunft wurde von Geschichten und Gerüchten umrankt. Der Junior, so erfuhr das italienische Publikum bald aus türkischen Oppositionskreisen, sei wohl auf der Flucht, nachdem die Partei des Vaters bei den Wahlen im Juni die absolute Mehrheit im Parlament verloren hatte. Zu dieser These schien auch zu passen, dass bewaffnete Bodyguards die Familie begleiteten. Die italienische Grenzpolizei verbot dem Begleitschutz zunächst die Einreise. Doch als die Herrschaften dann frisch gestempelte Botschaftsvisa vorzeigten, stand Italien auch ihnen offen.

Die Sicherheit sollte ein wichtiges Thema bleiben. Dabei hielt sich Bilal Erdoğan nach offizieller Darstellung nur in Bologna auf, weil er endlich seine Doktorarbeit in Internationalen Beziehungen zu Ende bringen wollte, die er 2007 am dortigen Zweig der Johns Hopkins University angefangen hatte. Dafür hätte er zwar nicht vor Ort sein müssen: Die Universität verlangt das nicht von ihren Doktoranden. Doch Erdoğan Junior liebt nun mal Italien, wie er der Zeitung Corriere della Sera offenbarte, er spricht auch Italienisch. In jenem Interview erzählte Bilal Erdoğan auch, dass ihn die gegen seine Familie gerichteten Korruptionsvorwürfe der Opposition, die er als Komplott beschrieb, 2013 gesundheitlich stark mitgenommen hätten und er eine Auszeit gebraucht habe.

Die Vorwürfe ebbten aber auch fern der Heimat nicht ab. Aus dem Exil meldete sich ein politischer Rivale seines Vaters. Der Großunternehmer Murat Hakan Uzan, der in Frankreich lebt, forderte die Staatsanwaltschaft von Bologna auf, wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen Bilal Erdoğan zu ermitteln. In einer vierseitigen Klageschrift behauptete Uzan, der Sprössling des türkischen Präsidenten sei mit viel Bargeld aus angeblichen Bestechungsgeschäften nach Italien gereist, um es dort zu waschen. Die Untersuchungsrichterinnen Antonella Scandellari und Manuela Cavallo eröffneten ein Ermittlungsverfahren.

Zu den Vorwürfen gehören Schmuggelgeschäfte mit dem IS

Im Januar erfuhr die Indizienlage eine mutmaßliche Erweiterung - aus Moskau. Die russische Regierung behauptete, die Erdoğans handelten mit Öl, das sie der Terrormiliz Islamischer Staat abkauften und mit Frachtern aus Bilals Schifffahrtsunternehmen nach Asien schmuggelten, um es dort zu verkaufen. Angeblich 200 000 Fässer pro Tag. Auch dieser Vorwurf stand in politischem Kontext: Die türkische Armee hatte nur Tage zuvor nahe der syrischen Grenze einen russischen Kampfjet abgeschossen. Da kochte die Wut. Doch wie stichhaltig war die Anschuldigung?

Die Staatsanwältinnen aus Bologna hatten also einige Gründe, um einfach mal genauer hinzuschauen beim illustren Doktoranden der Internationalen Beziehungen. Sie überprüften die Bewegungen auf sechs Konten, die Bilal Erdoğan auf italienischen Banken eröffnet hatte. Und sie scannten alle Telefonnummern, die er während seines Aufenthalts wählte und jene, die ihn anwählten. Illegales, so hört man, entdeckten sie dabei bisher nicht. Doch schließen mochten sie die Akte auch nicht. Offenbar sind noch einige Gesuche um internationale Rechtshilfe anhängig. Vor zwei Wochen nun, kurz nach dem Putschversuch, beantragten Scandellari und Cavallo beim zuständigen Richter eine Verlängerung ihres Untersuchungsmandats um sechs Monate, und der gab dem Begehren statt. Derselbe Richter wird dann entscheiden müssen, ob das gesammelte Material ausreicht, um Bilal Erdoğan den Prozess zu machen.

Der Junior verließ Italien im März so scheinbar überhastet, wie er angereist war. Als Motiv wurden nicht genauer definierte "Sicherheitsgründe" genannt, trotz Leibwächtern.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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