Extremismus:Junge Salafisten wissen oft wenig vom Islam

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Wissenschaftler haben Tausende Postings einer gewaltbereiten dschihadistischen Whatsapp-Gruppe analysiert. Ihre Vorstellungen seien "naiv". Die jungen Islamisten bauten sich einen "Lego-Islam".

Junge Menschen, die sich radikal-islamischen Gruppen anschließen, wissen oft sehr wenig vom Islam. "Sie bauen sich ihren eigenen ,Lego-Islam'", sagte am Montag Michael Kiefer vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Der Islamforscher hat für eine Studie 5757 Postings einer gewaltbereiten dschihadistischen Whatsapp-Gruppe ausgewertet. Der Chat der zwölf jungen Männer zeigt die Gruppendynamik unmittelbar vor dem Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen im Frühjahr 2016, bei dem drei Menschen verletzt wurden. Wegen der Tat waren drei 17-Jährige zu Jugendstrafen zwischen sechs und sieben Jahren verurteilt worden. Die Studie zeigt, dass die Chatteilnehmer so gut wie keine Bindung an Moscheegemeinden oder traditionelle Glaubensformen hatten und die Mehrheit der Muslime, die nicht ihren radikalen Ansichten folgte, als Feinde betrachtete.

"Die Extremisten werden jünger", sagte Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld, das an der Studie beteiligt war. "Manche wachsen bereits in extremistischen Familien auf, in die man kaum noch reinkommt." Die Anfälligkeit für Angebote im Netz sei bei den Jugendlichen hoch. Das Whatsapp-Protokoll verdeutliche eine "normale Suchbewegung im Netz", die Heranwachsenden hätten sich über Beziehungen, Freundschaften und Sex ausgetauscht. Ihre Vorstellungen seien "naiv und romantisierend", sie träumten davon, auf den Schlachtfeldern des Dschihad zum Mann zu werden. Zick sagte, der "digitale Dschihad" sei jugendnah, weil er normale Fragen radikal beantworte. Anziehend sei eine radikale Jugendkultur "mit Vollausstattung", die Lösungen für Entwicklungsfragen gebe. "Dschihad ist zur Leitkultur geworden, Dschihad gibt es schon im Kinderzimmer", sagte Zick. Es gebe bereits erste Angebote, die sich an jüngere Kinder richteten.

© SZ vom 11.07.2017 / DPA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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