Europäischer Gerichtshof:Kindergeld nur mit Arbeitsplatz

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EU-Bürger ohne Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsland haben dort keinen Anspruch auf Kindergeld. In Deutschland hat dieses Gerichtsurteil allerdings keine Folgen.

Von Cerstin Gammelin, Luxemburg/Berlin

EU-Staaten müssen EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht kein Kindergeld zahlen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Dienstag in Luxemburg verkündeten Urteil. Er wies damit die Klage der EU-Kommission gegen Großbritannien ab. Der Entscheidung zufolge werden arbeitslose EU-Ausländer durch die Regelung zwar mittelbar diskriminiert. EU-Staaten dürften aber ihre Finanzen "schützen", hieß es zur Begründung.

Aus Sicht der Bundesregierung ergibt sich aus dem Urteil kein Handlungsbedarf in Deutschland. Nach einer ersten Einschätzung habe es "keine unmittelbaren Konsequenzen für Kindergeld-Zahlungen in Deutschland", teilte ein Sprecher des zuständigen Bundesfinanzministeriums auf Nachfrage mit. Es sei "kein Widerspruch zur Rechtslage in Deutschland erkennbar". In der Bundesrepublik ist die Auszahlung des Kindergeldes daran geknüpft, dass der Bezieher seinen Wohnsitz in Deutschland hat oder hier besteuert wird. Daraus ergebe sich faktisch eine Aufenthaltserlaubnis. Der Sprecher betonte, grundsätzlich sei bei Unionsbürgern von der Freizügigkeitsberechtigung auszugehen. Familienkassen seien angehalten, Verdachtsfällen auf Missbrauch nachzugehen. "Werden einer Familienkasse im Einzelfall konkrete Umstände bekannt, aufgrund derer Zweifel an der Freizügigkeitsberechtigung bestehen, hat sie das Vorliegen der Freizügigkeitsberechtigung zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen."

EU-Bürger dürfen generell für drei Monate in ein anderes Mitgliedsland ziehen, um dort Arbeit zu suchen. Finden sie keine Arbeit, haben sie auch keinen Anspruch auf Aufenthalt. Die EU-Kommission erhob Klagen, nachdem arbeitslose EU-Ausländer sich in Großbritannien darüber beschwert hatten, dass ihnen mit der Begründung, sie hätten kein Aufenthaltsrecht, soziale Leistungen verwehrt wurden. Der EuGH wies nun darauf hin, dass die EU-Verordnung "kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit" schaffe, sondern unterschiedliche nationale Systeme bestehen lasse. Deshalb spreche nichts dagegen, wenn Sozialleistungen an arbeitslose EU-Ausländer von einem rechtmäßigen Aufenthalt abhängig gemacht würden. Diese Ungleichbehandlung gegenüber den Staatsangehörigen sei zulässig, um die Finanzen des Aufnahmestaats zu schützen, hieß es im Urteil.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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